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Neue EU-Prospektverordnung erleichtert Kapitalmarktfinanzierung mit Wertpapieren

Fachbeiträge

Häufig scheuen Unternehmen vor der Emission von Aktien oder Anleihen zurück, weil die damit verbundene Erstellung von Wertpapierprospekten kompliziert sowie zeitund kostenintensiv ist. Die EU-Kommission hat sich bei der Reform des Prospektrechts daher zum Ziel gesetzt, durch Vereinfachungen den Zugang der Unternehmen zur Finanzierung über die Kapitalmärkte zu erleichtern – und dies möglichst ohne Verwässerung des Anlegerschutzes. Ein Schwerpunkt liegt hierbei auf Erleichterungen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und Mid-Caps, aber auch Unternehmen mit bereits börsengelisteten Wertpapieren sowie Daueremittenten sollen künftig flexibler agieren können.

 

Als ein Herzstück der Kapitalmarktunion ist am 20. Juli 2017 die unmittelbar in allen Mitgliedsstaaten geltende neue EU-Prospektverordnung (Prospekt-VO) in Kraft getreten, deren Regelungen jedoch überwiegend erst ab dem 21. Juli 2019 gelten werden. Zudem müssen zur Konkretisierung in den nächsten Jahren weitere Regelungen durch die Kommission, die europäische Aufsichtsbehörde ESMA und die einzelnen Mitgliedstaaten nach den Vorgaben der Prospekt-VO ausgearbeitet und erlassen werden.

Änderung von Ausnahmen von der Prospektpflicht

Einige geänderte Ausnahmen von der Prospektpflicht gelten schon seit Inkrafttreten der Prospekt-VO. Im Grundsatz ist ein Prospekt immer dann zu veröffentlichen, wenn Wertpapiere öffentlich angeboten oder an einem geregelten Markt (wie beispielsweise dem General oder dem Prime Standard an der Frankfurter Wertpapierbörse) zugelassen werden sollen. Unter den zahlreichen bestehenden Ausnahmen hiervon ist die „kleine“ Kapitalerhöhung von bis zu 10 % des Grundkapitals (bezogen auf einen Zeitraum von zwölf Monaten) von besonderer Bedeutung, zumal in dieser Höhe nach dem Aktiengesetz auch ein vereinfachter Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre zur Verfügung steht. Die Höchstgrenze für die prospektfreie Zulassung von Wertpapieren zum geregelten Markt wurde durch die Prospekt-VO auf 20 % der bereits zugelassenen Wertpapiere verdoppelt, sofern die neuen Wertpapiere mit diesen fungibel sind.

 

Zwar besteht bei Barkapitalerhöhungen weiterhin die aktiengesetzliche 10-Prozent-Schwelle, jedoch kommt die volle Nutzung der prospektrechtlichen Ausnahme bei einer mehrfachen Ausnutzung unter zwischenzeitlicher Erneuerung der Ermächtigung durch die Hauptversammlung in Betracht. Zudem kann der Ausschluss des Bezugsrechts im Fall von Sachkapitalerhöhungen gerechtfertigt sein, so dass hierfür das erweiterte Volumen für die Börsenzulassung der neuen Aktien ohne Prospekt zur Verfügung steht. Darüber hinaus gilt die Ausnahme nun für alle Arten von Wertpapieren, insbesondere auch für die Aufstockung von Anleihen.

Ausblick: Erleichterungen für KMU und Sekundäremissionen

Insbesondere für KMU soll bei öffentlichen Angeboten von Wertpapieren künftig ein sog. EU-Wachstumsprospekt genügen, bei dem es sich um ein Dokument mit verkürztem Inhalt und einer „standardisierten Aufmachung“ handeln soll, das in leicht verständlicher Sprache abgefasst und für die Emittenten leicht auszufüllen ist. Als KMU gelten hierbei Unternehmen, die mindestens zwei der drei in der Prospekt-VO festgelegten Schwellenwerte nicht überschreiten (weniger als 250 Beschäftigte, Bilanzsumme von höchstens EUR 43 Mio., Jahresumsatz von höchstens EUR 50 Mio.), sowie solche im Sinne der MiFID II (Marktkapitalisierung bis zu EUR 200 Mio.).

 

Zur Regelung der Einzelheiten des EU-Wachstumsprospekts hat die EU-Kommission bis zum Januar 2019 delegierte Rechtsakte zu erlassen. Diese werden letztlich entscheidend dafür sein, ob sich dieses neue Prospektformat für die Praxis als tauglich erweist. Emissionen von KMU und den weiteren nach der Prospekt-VO begünstigten Emittenten (sog. Mid-Caps) sind hiermit allerdings auf den börslichen Handel an nicht-geregelten Märkten beschränkt.

 

Einen gegenüber dem Standardprospekt „vereinfachten Prospekt“ soll es künftig für Sekundäremissionen insbesondere von Emittenten geben, deren Wertpapiere bereits seit mindestens 18 Monaten an einem geregelten Markt zugelassen waren, wenn die neuen Wertpapiere mit diesen fungibel sind. Dasselbe gilt für solche Emittenten von Aktien, wenn sie nunmehr „Nichtdividendenwerte“, also insbesondere Anleihen, öffentlich anbieten oder deren Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt beantragen möchten. Auch die hierfür geltenden Schemata der „verkürzten Informationen“ hat die EU-Kommission bis Januar 2019 zu präzisieren.

Schrittweise Umsetzung bis Juli 2019

In den nächsten zwei Jahren wird der durch die Prospekt- VO gesetzte Rahmen durch die EU-Kommission mit Unterstützung der ESMA sowie durch Umsetzungsmaßnahmen der Mitgliedsstaaten ausgefüllt werden. Die bisher geltende EU-Prospektrichtlinie von 2003 und die sie konkretisierende delegierte EU-Prospektverordnung von 2004 werden hierdurch ersetzt. Ebenso werden die im Wertpapierprospektgesetz zur Umsetzung der EU-Prospektrichtlinie enthaltenen Regelungen hieran anzupassen sein.

Fazit:

Mit der neuen Prospekt-VO besteht die Chance, durch adäquate Anforderungen an Prospekte und erweiterte Ausnahmen von der Prospektpflicht den europäischen Kapitalmarkt für Wertpapieremissionen zu beleben. Die Praxistauglichkeit ist indessen entscheidend auch von den zahlreichen Umsetzungsmaßnahmen abhängig.

 

Rechtsgrundlage: Verordnung (EU) 2017/1129 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017, Amtsblatt der Europäischen Union vom 30.6.2017, L 168/12, eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/% 3A32017R1129

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