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Modernisierung des Vormundschafts- und Betreuungsrechts

Fachbeiträge
Modernisierung des Vormundschafts- und Betreuungsrechts

Das neue Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts soll die Realität des 21. Jahrhunderts widerspiegeln. Im Fokus stehen das Notvertretungsrecht für Ehegatten bzw. eingetragene Lebenspartner* im Gesundheitsbereich sowie Änderungen im Bereich der elterlichen Sorge und des Betreuungsrechts. Trotz der seit dem 1. Januar 2023 geltenden neuen Regelungen sind entsprechende Vorsorgeregelungen durch jeden Einzelnen künftig nicht entbehrlich.

 

Notvertretungsrecht für Ehegatten im Gesundheitsbereich

Entgegen häufiger Annahmen begründete eine Ehe bislang kein allgemeines Vertretungsrecht der Ehegatten untereinander. Mit Einführung des Notvertretungsrechts für Ehegatten im Gesundheitsbereich ändert sich das. Kann ein Ehegatte aus krankheitsbedingten Gründen seine Angelegenheiten der Gesundheitssorge nicht mehr selbst erledigen, darf der andere Ehegatte dies nun laut Gesetz für maximal sechs Monate übernehmen. Er kann insbesondere in Untersuchungen, Behandlungen und ärztliche Eingriffe einwilligen, entsprechende Behandlungs- und Krankenhausverträge abschließen und Ansprüche aus Anlass der Erkrankung für den erkrankten Ehegatten geltend machen. Behandelnde Ärzte sind insofern von ihrer Schweigepflicht entbunden.

Voraussetzung für das Notvertretungsrecht ist, dass

  • die Eheleute nicht getrennt leben,
  • keine Vorsorgevollmacht oder Betreuung besteht und
  • der erkrankte Ehegatte das Notvertretungsrecht nicht ausdrücklich ablehnt.

Das Nichtvorliegen dieser Ausschlussgründe muss gegenüber dem jeweiligen Arzt schriftlich bestätigt werden. In der Praxis herrschen hier allerdings noch erhebliche Rechtsunsicherheiten.

Aufgrund der zeitlichen Begrenzung und der praktischen Schwierigkeiten ist es nach wie vor empfehlenswert, eine Vorsorgevollmacht zu errichten, die die Vertretung in gesundheitlichen Belangen umfassend regelt. Besteht eine Vorsorgevollmacht, gelten ausschließlich die darin enthaltenen Bestimmungen. Im Gegensatz zum gesetzlichen Notvertretungsrecht kann so die Vertretung in Gesundheitsbelangen umfassend, zeitlich uneingeschränkt und inhaltlich klar geregelt werden. Dies gilt auch für bereits vor der Gesetzesreform errichtete Vollmachten, so dass eine Änderung bestehender Vollmachten grundsätzlich nicht notwendig ist.

Vor diesem Hintergrund sollte zumindest dann eine Vorsorgevollmacht errichtet werden, wenn der andere Ehegatte vom gesetzlichen Notvertretungsrecht ausgeschlossen werden soll. Alternativ kann das Notvertretungsrecht auch durch schriftliche Vereinbarung der Ehegatten etwa im Rahmen eines Ehevertrags ausgeschlossen werden. Der praktische Nachweis in Notfallsituationen im Krankhaus dürfte sich aber als schwierig erweisen.

 

Weitere zentrale Änderungen

Vormundschaft und Elterliche Sorge

Der unentgeltliche Erwerb von Wohnungseigentum durch ein minderjähriges Kind bedarf nun einer familiengerichtlichen Genehmigung. Hintergrund ist die für das minderjährige Kind mit der Übertragung einhergehende rechtlich nachteilige Mitgliedschaft in einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Im Übrigen bleibt der unentgeltliche Erwerb von Grundbesitz - insbesondere von Ein- oder Mehrfamilienhäusern, die nicht in Wohnungseigentum aufgeteilt sind - durch das minderjährige Kind weiterhin genehmigungsfrei.

Außerdem bedarf der Erwerb und die Veräußerung von Anteilen an Personen- oder Kapitalgesellschaften, die ein Erwerbsgeschäft betreiben, durch ein minderjähriges Kind der familiengerichtlichen Genehmigung. Der insbesondere bei Kapitalgesellschaften bislang bestehenden Rechtsunsicherheit wird damit ein Ende bereitet.

Mehr Selbstbestimmung für betreute Personen

Ergänzend stärkt die Reform das Selbstbestimmungsrecht betreuter Personen. Bei der Auswahl des Betreuers kommen den Vorschlägen der zu betreuenden Person, die regelmäßig im Rahmen einer Vorsorgevollmacht geäußert werden, eine zentrale Bedeutung zu. Das Gericht muss dem Vorschlag der zu betreuenden Person entsprechen. Anderes gilt nur, wenn die gewünschte Person ungeeignet ist, ihre Aufgaben als Betreuer zu erfüllen. Verschärfte Auskunfts-, Mitteilungs- und Rechnungslegungspflichten des Betreuers gegenüber dem Betreuungsgericht unter Einbeziehung der betreuten Person sollen die Qualität der Betreuung nachhaltig sicherstellen und verbessern.

 

Fazit

Die Gesetzesreform macht eine rechtzeitige und professionelle Planung der Nachfolge nicht entbehrlich. In Notsituationen wie Krankheit, Unfall oder Tod gewährleisten geeignete Vollmachten die Handlungsfähigkeit. Im Bereich der Gesundheitsvorsorge sollte über eine Vorsorgevollmacht die Vertretung in gesundheitlichen Belangen rechtssicher geregelt werden. Eine ergänzende Patientenverfügung, die dem Bevollmächtigten als Leitlinie dient und regelt, welche medizinischen Behandlungen gewünscht oder ausgeschlossen sind, ist sinnvoll. Vollmachten sind zudem auch im Bereich der privaten und betrieblichen Vermögensvorsorge unerlässlich, um die Handlungsfähigkeit zu gewährleisten. Insofern bestehen keine gesetzlichen Notvertretungsbefugnisse.

 

* Ehegatten und eingetragene Lebenspartner werden nachfolgend gemeinsam unter dem Begriff der Ehegatten zusammengefasst.

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