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Das Ende der Schadensberechnung nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten
Darum geht es
Die Klägerin (Bauherrin) begehrt von den Beklagten, einem Landschaftsarchitekten und dem insoweit ausführenden Bauunternehmen, Schadensersatz wegen Mängeln an den im Außenbereich eines Einfamilienhauses verlegten Natursteinplatten. Der BGH urteilt, dass die von der Bauherrin geltend gemachten Schadensersatzansprüche nicht mehr wie bisher nach Maßgabe der fiktiven Mängelbeseitigungskosten bemessen werden können. Damit gibt der BGH seine über Jahrzehnte praktizierte Rechtsprechung auf. Das Gericht begründet diese Entscheidung maßgeblich damit, dass die Schadensbemessung nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten häufig zu einer Überkompensation führe.
Rückschlüsse für die Praxis
Das Urteil begründet eine Zeitenwende bei der Ermittlung der Schadenshöhe bei mangelbedingten Schadensersatzansprüchen im Werkvertragsrecht. Die Praxisrelevanz dieser Entscheidung ist vor allem für Bauherren als Anspruchsberechtigte von herausragender Bedeutung.
Fallgruppe: Besteller lässt Mangel beseitigen
Lässt der Besteller die Mängelbeseitigung durchführen, steht ihm gegen den Unternehmer neben dem Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 634 Nr. 2, 637 BGB auch weiterhin ein Schadensersatzanspruch nach §§ 634 Nr. 4, 280, 281 BGB in Höhe der aufgewandten Mängelbeseitigungskosten zu. Vor Begleichung der Kosten kann der Besteller auch Befreiung von den zur Mängelbeseitigung eingegangenen Verbindlichkeiten verlangen.
Darüber hinaus kann der Besteller vom Unternehmer Vorschuss nach §§ 634 Nr. 2, 637 BGB verlangen, selbst dann, wenn er vorher Schadensersatz geltend gemacht hat. Der BGH argumentiert, dass nach Sinn und Zweck des Gesetzes dem Besteller auch die Nachteile und Risiken einer Vorfinanzierung der Mängelbeseitigung abgenommen werden sollen. Auf den Nacherfüllungsanspruch (Beseitigungsverlangen) kann er hingegen nicht mehr zurückkommen.
Fallgruppe: Besteller lässt Mangel nicht beseitigen
Neben der Schadensberechnung auf Basis des mangelbedingten Minderwertes kann nach Auffassung des BGH der Schaden in Anlehnung an das Minderungsrecht nach §§ 634 Nr. 3, 638 BGB in der Weise bemessen werden, dass ausgehend von der vereinbarten Vergütung der Minderwert des Werkes wegen des (nicht beseitigten) Mangels nach § 287 ZPO geschätzt werde. Die Minderungsberechnung könne zwar nicht durch den Abzug der fiktiven Mängelbeseitigungskosten erfolgen. Dagegen komme beispielsweise eine Schadensbemessung anhand der Vergütungsanteile in Betracht, die auf die mangelhafte Leistung entfielen.
Auch im Verhältnis zum beauftragten Planer stellt der BGH neue Anforderungen für die Schadensbemessung auf.
Lässt der Besteller den Mangel nicht beseitigen, kann er seinen Schaden nach dem mangelbedingten Minderwert oder auch in der Weise bemessen, dass er ausgehend von der mit dem Bauunternehmer vereinbarten Vergütung den mangelbedingten Minderwert des Werks des Bauunternehmers ermittelt.
Vorschussklagen fortan auch gegen Planer möglich („Quasi-Vorschuss“)
Im Verhältnis zu Architekten und Ingenieuren ist hervorzuheben, dass dem Bauherrn nunmehr ein (vorschussähnlicher) Schadensersatzanspruch auf Vorfinanzierung in Form der vorherigen Zahlung eines zweckgebundenen und abzurechnenden Betrags zusteht. Der auf diesem Wege erlangte Zahlungsbetrag ist zweckgebunden – muss also für die Mängelbeseitigung verwendet werden – und ist nach Abschluss der Mängelbeseitigung abzurechnen. Darin unterscheidet sich dieser Anspruch vom Schadensersatzanspruch auf Basis fiktiver Mängelbeseitigungskosten. Architekten sehen sich also erstmals „Vorschussklagen“ ausgesetzt.
FAZIT
Festzuhalten ist nach alledem, dass die mit der Rechtsprechungsänderung verbundene Abkehr von der Abrechnung nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten von großer Reichweite für den Bauherrn ist, der nur eine monetäre Abgeltung für die Mangelhaftigkeit zu erlangen versucht und keine Mängelbeseitigung anstrebt. Ferner mag bei überschaubaren Einheitspreisverträgen, bei denen sich die Vergütungsteile, die auf die Schlechtleistung entfallen, der Minderwert ohne größere Schwierigkeiten beziffern lassen. Demgegenüber wird es bei Pauschalpreisverträgen ohne detaillierte Leistungsbeschreibung ungleich schwieriger werden.
Maßgebliche Entscheidung: BGH, Urteil vom 22.02.2018 – VII ZR 46/17