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Zwingende Auswahl geschlechtsspezifischer Anrede verletzt Persönlichkeitsrecht

Fachbeiträge
Zwingende Auswahl geschlechtsspezifischer Anrede verletzt Persönlichkeitsrecht

Bei einer Onlinebestellung oder -registrierung ist die Auswahl einer geschlechtsspezifischen Anrede häufig als Pflichtfeld definiert. Diese Praxis verletzt laut Landgericht Frankfurt a.M. jedoch Personen mit nicht-binärer Geschlechtsidentität in ihrem Persönlichkeitsrecht.

Im konkreten Fall nahm die klagende Person einen deutschlandweit tätigen Eisenbahnkonzern in Anspruch. Bei der Onlinebestellung einer Fahrkarte wie auch bei der Onlineregistrierung für ein Kundenkonto gab es nur eine verpflichtende Auswahl zwischen den Anreden „Herr“ und „Frau“. Dadurch sah sich die klagende Person gezwungen, sich einem Geschlecht zuzuordnen, das nicht ihrer Identität entspricht.

„Geschlecht völlig irrelevant“

Das Landgericht Frankfurt a.M. entschied mit Urteil vom 3. Dezember 2020 (Az. 2-13 O 131/20), dass eine solche Praxis Personen mit nicht-binärer Geschlechtsidentität in ihrem Persönlichkeitsrecht verletze. Der Anspruch der klagenden Person auf Unterlassung des Auswahlzwangs sei deshalb begründet. Das Gericht betonte dabei, dass die Zuordnung zu einem bestimmten Geschlecht für das Vertragsverhältnis völlig irrelevant sei. Die Beklagte habe auch nicht allein deshalb einen Anspruch auf eine solche Zuordnung, weil sie ihre Kunden mit „Sehr geehrte Frau…“ oder „Sehr geehrter Herr…“ anreden wolle.

Zudem verwies das Gericht auf Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Das hatte bereits 2017 entschieden, die Zuordnung zu einem Geschlecht nehme „typischerweise eine Schlüsselposition sowohl im Selbstverständnis einer Person als auch dabei ein, wie die betroffene Person von anderen wahrgenommen wird“. Aus diesem Grund überwiege das schutzwürdige Interesse der klagenden Person.

Kein Anspruch auf Entschädigung

Das Gericht wies jedoch einen weiteren Antrag der klagenden Person auf Zahlung einer Entschädigung ab. Trotz Verletzung des Persönlichkeitsrechts konnten die Richter keinen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) erkennen. Denn die Beklagte hatte Personen mit nicht-binärer Geschlechtsidentität weder ausgegrenzt noch ihnen Verträge zu ungünstigeren Konditionen angeboten.

Fazit

In den meisten Fällen ist die Auswahl einer geschlechtsspezifischen Anrede für die Durchführung eines Vertrags nicht erforderlich und sollte nicht als Pflichtfeld ausgestaltet werden. Als Alternative kann eine dritte Option für Personen mit nicht-binärer Geschlechtsidentität vorgesehen werden. Statt der Anrede „Sehr geehrte/r…“ ist dann beispielsweise die Anrede „Guten Tag…“ möglich.

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