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Wettbewerb trotz Dringlichkeit?

Öffentliche Hand
Wettbewerb trotz Dringlichkeit?

Bei Gefahrensituationen und unvorhersehbaren Ereignissen muss die Bedarfsdeckung schnell gehen, sodass einige Vergabenachprüfungsinstanzen – vor allem während der Corona-Pandemie – mit der immer wiederkehrenden Prüfung der Voraussetzungen der „Dringlichkeitsvergabe“ konfrontiert waren.

Der Kurs, der sich in der Rechtsprechung zunehmend verfestigt hat, lautet: „Wettbewerb light“ – auch bei Dringlichkeit. 

Sachverhalt

Das Kammergericht Berlin hatte über den Betrieb von Corona Testzentren für den Monat Dezember 2021 mit Verlängerungsoption für Januar 2021 zu entscheiden. Der öffentliche Auftraggeber hatte für einen Interimsauftrag nur den bisherigen Bestandsdienstleister zur Angebotsabgabe aufgefordert. Der streitgegenständliche Auftrag erfolgte interimsweise, weil ein Nachprüfungsverfahren die eigentliche Ausschreibung verzögert hatte. Nach Eingang eines entsprechenden Angebots erteilte der Auftraggeber dem Bestandsdienstleister den Interimsauftrag.

Der im regulären Verfahren ausgeschlossene Bieter griff auch die Interimsvergabe an.

Entscheidung

Mit Erfolg! Die ohne öffentliche Ausschreibung und Einholung von Angeboten anderer Interessenten erfolgte interimsweise Beauftragung des Bestandsunternehmens sei bereits deswegen vergaberechtswidrig, weil der Auftraggeber keine Vergleichsangebote eingeholt und nur den Bestandsdienstleister zur Abgabe eines Angebots aufgefordert habe. Auch im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb müsse ein Mindestmaß an Wettbewerb gewährleistet sein und zumindest drei Angebote eingeholt werden. Dies sei im zu entscheidenden Fall auch ohne weiteres möglich gewesen. Der Auftraggeber sei nicht davon entbunden, sich bei der Vielzahl der am Markt tätigen Anbieter um Vergleichsangebote „deutschlandweit" zu bemühen.

Außerdem stellte das Kammergericht fest, dass die Voraussetzungen der Dringlichkeit nicht vorlagen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Gründe die zu einer Dringlichkeit führen, nicht dem Auftraggeber zuzurechnen sind. Diese Zurechnung sei aber im zu entscheidenden Fall gerade zu bejahen. Zum einen weil der Auftraggeber zu spät mit der eigentlichen Ausschreibung begonnen habe und zum anderen durch einen „selbstverschuldeten“ Nachprüfungsantrag wegen eines unrechtmäßigen Ausschlusses des rechtsschutzsuchenden Bieters. 

Fazit und Praxistipp

Auch eine besondere Dringlichkeit erfordert nach inzwischen ständiger Rechtsprechung Wettbewerb. Die Einholung dreier Angebote ersetzt – auch im Bereich der Daseinsvorsorge – kein reguläres Vergabeverfahren. Daher sind öffentliche Auftraggeber gut beraten, Dringlichkeitsvergaben nicht vorschnell anzunehmen und auf die absoluten „Katastrophen-Fälle“ zu beschränken. Fristverkürzungen können unter Umständen schneller zum Ziel führen.

Maßgebliche Entscheidung: KG Berlin, Beschl. v. 10.05.2022 – Verg 1/22

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