Kontakt

Ob Sie lieber eine E-Mail senden, zum Telefon greifen oder das gute alte Fax nutzen. Wir freuen uns, von Ihnen zu hören.

Anruf unter
+49 711 86040 00
Fax unter
+49 711 86040 01

Wann ist ein Angebot zu spät abgegeben?

Öffentliche Hand
Wann ist ein Angebot zu spät abgegeben?

Legt der Auftraggeber die Frist zur Abgabe von Angeboten auf 10:00 Uhr fest, ist ein auch nur um Sekunden später eingegangenes Angebot grundsätzlich verspätet. Ein elektronisches Angebot ist dabei rechtzeitig abgegeben, wenn es vor Ablauf der Abgabefrist vollständig hochgeladen ist. Für den Zugangszeitpunkt ist nicht auf die Abrufbarkeit der Angebotsdatei durch den Auftraggeber abzustellen, sondern auf den vollständigen Upload der übermittelten Angebotsdaten auf den Server der von dem Auftraggeber genutzten Vergabeplattform.

Die Vorschrift des § 312i BGB, nach der es im elektronischen Rechtsverkehr auf den Abruf ankommt, ist nicht - auch nicht entsprechend - bei einem elektronischen Vergabeverfahren anwendbar.

Sachverhalt

Ein öffentlicher Auftraggeber schrieb Leistungen des Kanalbaus und Straßenbaus im offenen Verfahren europaweit aus. In der Auftragsbekanntmachung wurde der Schlusstermin für die Angebotsabgabe auf den 11.03.2021 um 10:00 Uhr bestimmt. Ein Bieter gab am 11.03.2021 sein Angebot ab. Für die Angebotsabgabe wurde im System der Vergabeplattform 10:00:03 Uhr als Eingangszeitpunkt verzeichnet. Der Auftraggeber schloss den Bieter aus dem Vergabeverfahren aus. Zur Begründung wurde angeführt, das Angebot sei nach Ablauf der Angebotsfrist eingegangen. Der Bieter rügte den Ausschluss und gab an, dass die früheren Upload-Versuche auf Grund der Dateigröße von der Vergabeplattform zurückgewiesen worden seien. In den Vergabeunterlagen sei aber keine Größenbeschränkung für die hochzuladenden Dateien genannt gewesen. Zudem bedeute die Abgabefrist 10:00 Uhr, dass erst der Eingang um 10:01 Uhr verspätet sei. Der Auftraggeber fragte bei der von ihm beauftragten Vergabeplattform nach. Diese bestätigte, dass aus dem Zeitraum vor Ablauf der Angebotsfrist keine technischen Probleme bekannt seien. Es habe auch keine Größenbeschränkungen für Angebote gegeben. In der Folge bestätigte der Auftraggeber den Ausschluss des Angebots. Der Bieter stellte daraufhin einen Nachprüfungsantrag.

Entscheidung

Mit Erfolg. Die Vergabekammer Südbayern gab dem Nachprüfungsantrag statt.

Zwar war der Schlusstermin für den Eingang der Angebote in der Auftragsbekanntmachung mit 10:00 Uhr angegeben. Damit endete die Angebotsfrist nach Ansicht der Vergabekammer exakt um 10 Uhr, d.h. um 10:00:00 Uhr, und nicht erst um 10:00:59 Uhr.

Dennoch war das Angebot des Bieters nicht gem. § 16 EU Nr. 1 VOB/A auszuschließen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass der Bieter den vollständigen Upload und die Verschlüsselung des Angebots noch vor Ablauf der Angebotsfrist vorgenommen habe. Lediglich das notwendige Ablegen des verschlüsselten Angebots im Bereich des Auftraggebers auf dem Vergabesystem sei erst knapp drei Sekunden nach Ablauf der Angebotsfrist abgeschlossen gewesen.

Diese Bereitstellung im Bereich des Auftraggebers sei für eine Angebotseröffnung zwar notwendig, falle aber hinsichtlich eines rechtzeitigen Zugangs des Angebots nicht mehr in die Risikosphäre des Bieters. Der Bieter trage insoweit nur das Transportrisiko. Auf die Abrufmöglichkeit durch den Auftraggeber komme es dagegen nicht an.

Daran ändere auch die Regelung des § 312i Abs. 1 Satz 2 BGB nichts, denn diese ist nach Auffassung der Vergabekammer bei einem elektronischen Vergabeverfahren nicht entsprechend anwendbar. Die Konstellation bei einer Bestellung im elektronischen Rechtsverkehr, für die § 312i Abs. 1 Satz 2 BGB als Zugangszeitpunkt auf die Abrufbarkeit abstellt, sei bereits nicht mit der Konstellation bei einer Vergabe vergleichbar, bei der der öffentliche Auftraggeber Leistungen ausschreibt und nicht eine Bestellung entgegennimmt und selbst eine Leistung erbringt. Auch die drastische Rechtsfolge des zwingenden Ausschlusses eines verspäteten Angebots gem. § 16 EU Nr. 1 VOB/A spreche gegen eine entsprechende Anwendung von § 312i Abs. 1 Satz 2 BGB.

Fazit

Zutreffend stellt die Vergabekammer Südbayern fest, dass es bei einer Terminierung des Angebotsfristendes auf 10:00 Uhr keine zwei Meinungen geben kann: Das Fristende fällt in diesem Fall auf Punkt 10 Uhr; ein zeitlicher Spielraum, der es dem Bieter ermöglicht, sein Angebot bis 10:00:59 abzugeben, besteht nicht.

Dennoch gibt die Vergabekammer in der zugrunde liegenden Fallkonstellation dem Bieter Recht, da es für den Zugang des Angebots im konkreten Fall ausreicht, wenn das Angebot auf der Vergabeplattform vollständig hochgeladen ist – sich anschließende Bearbeitungsschritte fallen indes in den Verantwortungsbereich des Auftraggebers. Auftraggeber sollten daher bei (vermeintlich) verspätet eingegangenen Angeboten stets prüfen, in wessen Risikosphäre die Verspätung fällt.

Maßgebliche Entscheidung: VK Südbayern, Beschl. v. 15.11.2021 - 3194.Z3-3_01-21-20

Zurück