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Wann dürfen einzelne Gewerke wegen Unwirtschaftlichkeit aufgehoben werden?
Darf bei einer Aufhebung wegen Unwirtschaftlichkeit auf ein einzelnes Gewerk abgestellt werden oder kommt es auf die Gefährdung des Gesamtbudgets eines Projektes an? Damit hatte sich jüngst die Vergabekammer Lüneburg zu befassen.
Sachverhalt
Ein öffentlicher Auftraggeber schrieb im Rahmen des Neubaus eines Klinikgebäudes u.a. das Gewerk "Rohbauarbeiten" aus. Nachdem das günstigste Angebot die Kostenprognose überschritt, hob der Auftraggeber das Vergabeverfahren mit Verweis auf die Unwirtschaftlichkeit der Angebote auf. Er berief sich dabei auf eine Kostenüberschreitung von 26%. Gegen diese Aufhebung wendete sich der Bestbieter im Nachprüfungsverfahren.
Entscheidung
Der Bestbieter bekam im Ergebnis recht! Die Vergabekammer führt in ihrer Entscheidung aus, dass es im Rahmen der Betrachtung, ob ein Ausschreibungsergebnis unwirtschaftlich ist, bei Bauprojekten nicht auf das "Gesamtprojekt" ankomme, sondern stets die Kosten des konkret ausgeschriebenen Gewerks zu betrachten sind.
Die Vergabekammer stellt in ihrer Entscheidung fest, dass es für die Frage der Unwirtschaftlichkeit bei einem Baugewerk auf die Abweichung der Angebote zum bepreisten Leistungsverzeichnis (aus Leistungsphase 6 der Planungsleistungen) ankomme und nicht etwa auf die Abweichung zu früheren Kostenprognosen wie der Kostenschätzung (aus Leistungsphase 2) oder der Kostenberechnung (aus Leistungsphase 3). Im konkreten Fall lag die Abweichung daher nur bei knapp 8%, was nach Auffassung der Vergabekammer keine Aufhebung wegen Unwirtschaftlichkeit rechtfertigen konnte.
Praxistipp
Die Entscheidung zeigt, dass eine Abweichung von knapp 8% zwischen den prognostizierten Kosten und den Angeboten für eine Aufhebung wegen Unwirtschaftlichkeit noch nicht ausreicht, sondern innerhalb des gewöhnlichen "Schwankungsbereichs" liegt. Erst ab rund 10% sieht die Rechtsprechung in Einzelfällen eine Aufhebung wegen Unwirtschaftlichkeit als gerechtfertigt an. Darüber hinaus führt die VK Lüneburg sehr deutlich aus, dass eine Aufhebung wegen Unwirtschaftlichkeit bei einer gewerkeweisen Ausschreibung durchaus eine Einzelbetrachtung der Gewerke zulässt. Es kommt also nicht auf die Überschreitung des Gesamtbudgets für das Bauvorhaben an, was schon allein aufgrund der sukzessiven Ausschreibungen zu erheblichen praktischen Problemen führen würde.
Damit schließt sich die VK Lüneburg hinsichtlich der Aufhebung von Fachlosen der Meinung des OLG Dresden an. In Bezug auf Teil- bzw. Mengenlose hat die Rechtsprechung dies in der Vergangenheit (z.B. das OLG Koblenz im Bereich der Abfallwirtschaft) auch schon abweichend beurteilt.
Maßgebliche Entscheidung: VK Lüneburg, Beschl. v. 08.06.2020 - VgK-09/2020