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Vorgabe einer „geschlossenen EU-Lieferkette“ als Zuschlagskriterium ist unzulässig

Öffentliche Hand
Vorgabe einer „geschlossenen EU-Lieferkette“ als Zuschlagskriterium ist unzulässig

Die einer Leistung zugrundeliegende Lieferkette gerät in Vergabeverfahren zunehmend in den Fokus. Das zeigen nicht zuletzt die vergaberechtlichen Regelungen des bald in Kraft tretenden Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes. Auf die Lieferkette bezogene Umwelt- und Nachhaltigkeitskriterien müssen sach- und auftragsbezogen sein und dürfen nicht gegen vergaberechtliche Grundsätze verstoßen. Das OLG Düsseldorf hat jüngst entschieden, dass ein Zuschlagskriterium „geschlossene EU-Lieferkette“ gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt.

Sachverhalt

Die Auftraggeberin sah bei einer europaweiten Vergabe einen Wirtschaftlichkeitsbonus im Zusammenhang mit umweltbezogenen und sozialen Aspekten bei der Angebotswertung vor. Der Wirtschaftlichkeitsbonus setzte insbesondere den Nachweis einer geschlossenen Lieferkette in der EU, in Unterzeichnerstaaten des GPA bzw. in der Freihandelszone der EU voraus. Hiergegen wehrte sich der spätere Antragsteller mit Produktion in Indien. Die VK Bund gab dem Nachprüfungsantrag statt. Demnach ist die Lieferkette kein sach- und auftragsbezogenes Zuschlagskriterium, vgl. § 127 Abs. 3, 4 GWB. Auch ist dieses Kriterium nicht objektiv und verstößt gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Hiergegen legte die Auftraggeberin sofortige Beschwere ein.

Die Entscheidung

Ohne Erfolg. Der Gleichbehandlungsgrundsatz setzt laut dem OLG Düsseldorf einen fairen Wettbewerb voraus, bei dem die Angebote sämtlicher Bieter den gleichen Bedingungen unterworfen sind. Die europäische Vergaberichtlinie gewährt kein grundsätzliches Recht zur Diskriminierung von Bietern aus Drittstaaten. Benachteiligungen bedürfen einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung, an der es fehlt. Das Lieferkettenkriterium ist außerdem nicht zur Erreichung höherer Umwelt- und Sozialstandards geeignet. Denn die Umwelt- und Sozialstandards der dadurch privilegierten Staaten sind äußerst uneinheitlich. Aufgrund der Reduktion der Staaten, aus denen Waren und Dienstleistungen bezogen werden können, ist das Kriterium auch nicht zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit geeignet. Im Gegenteil kann sie durch das Lieferkettenkriterium sogar gefährdet werden. Es hat insbesondere die Corona-Pandemie gezeigt, dass trotz gegenläufiger Abkommen exportbeschränkende Maßnahmen nicht ausgeschlossen sind.

Praxistipp

Der vergaberechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist als allgemein gültiger Grundsatz aufzufassen. Auftraggebern ist angesichts der Entscheidung zu raten, Angebote mit drittstaatlichem Bezug nicht gemeinhin gegenüber Angeboten aus der Europäischen Union zu diskriminieren. Die Versorgungssicherheit kann zwar grundsätzlich eine legitime Rechtfertigung für eine Einschränkung des Gleichbehandlungsgrundsatzes darstellen. Öffentliche Auftraggeber sollten jedoch auf die tatsächliche Eignung der zum Schutz der Versorgungssicherheit ergriffenen Maßnahme achten.

 

Maßgebliche Entscheidung: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 01.12.2021 – VII – Verg 54/20

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