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Verjährung von Urlaubsansprüchen nur bei Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheit des Arbeitgebers

Fachbeiträge
Verjährung von Urlaubsansprüchen nur bei Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheit des Arbeitgebers

Gesetzliche Urlaubsansprüche von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern verjähren nur, wenn der Arbeitgeber auf den konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen hingewiesen und zu der Inanspruchnahme des Urlaubs aufgefordert hat. Dies entschied das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 20. Dezember 2022 (9 AZR 266/20).

Der Entscheidung lag folgender Fall zugrunde: Eine Arbeitnehmerin forderte von ihrem Arbeitgeber nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Urlaubsabgeltung für Resturlaubsansprüche im Umfang von 101 Arbeitstagen. Sie habe wegen des stets hohen Arbeitsaufwands den ihr zustehenden Urlaub nicht nehmen können. Der Urlaub ist nicht verfallen.

Wann verfällt Urlaub?

Das Bundesurlaubsgesetz bestimmt, dass der gesetzliche Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden muss. Eine Übertragung des Urlaubs bis zum 31. März des Folgejahres soll nur ausnahmsweise erfolgen.

Aufgrund unionsrechtskonformer Auslegung des Bundesurlaubsgesetzes obliegt es dem Arbeitgeber, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer rechtzeitig über die konkrete Höhe der Resturlaubsansprüche sowie deren drohenden Verfall aufzuklären. Zudem muss der Arbeitgeber dazu auffordern, den Urlaub zu nehmen. Nur, wenn der Arbeitgeber diese Obliegenheit ordnungsgemäß erfüllt und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihren Urlaub dennoch nicht nehmen, verfällt der Urlaub tatsächlich zum Jahresende bzw. zum Ende des Übertragungszeitraums. Ansonsten treten die Resturlaubsansprüche zu dem im folgenden Kalenderjahr entstehenden Urlaubsanspruch hinzu. Somit können sich Urlaubsansprüche bei Nichterfüllung der Mitwirkungsobliegenheit über Jahre hinweg addieren.

So war es auch in dem vom Bundesarbeitsgericht zu entscheidenden Fall. Der Arbeitgeber war seiner Mitwirkungsobliegenheit nicht nachgekommen, sodass der Urlaub nicht verfallen ist. Die geforderte Urlaubsabgeltung erfüllte der Arbeitgeber trotzdem nicht. Er wandte ein, die Urlaubsansprüche seien bereits während des laufenden Arbeitsverhältnisses wegen Ablaufs der dreijährigen Verjährungsfrist verjährt.

Entscheidung: Resturlaubsansprüche verjähren nicht „automatisch“

Das Bundesarbeitsgericht urteilte, dass die Verjährungsvorschriften zwar auf die gesetzlichen Urlaubsansprüche Anwendung finden. Jedoch sind diese richtlinienkonform auszulegen. Die Verjährung beginnt nicht „automatisch“ mit dem Schluss des jeweiligen Urlaubsjahres, sondern erst mit Schluss des Kalenderjahres, in dem der Arbeitgeber seine Mitwirkungsobliegenheit ordnungsgemäß erfüllt hat. Diese Ausweitung der Mitwirkungsobliegenheit begründet sich durch die unterschiedliche Zwecksetzung der Vorschriften. Die Mitwirkungsobliegenheit dient dazu, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in die Lage versetzt werden, den ihnen zustehenden Urlaub tatsächlich in Anspruch zu nehmen. Dadurch soll die Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geschützt werden. Zweck der Verjährungsvorschriften ist demgegenüber die Schaffung von Rechtssicherheit. Das Interesse des Arbeitgebers an der Erreichung von Rechtsfrieden tritt aber gegenüber dem Gesundheitsschutz zurück, wenn der Arbeitgeber die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht in die Lage versetzt hat, den ihnen zustehenden Urlaub tatsächlich zu nehmen.

Somit konnte der Arbeitgeber im zu entscheidenden Fall aufgrund der Nichterfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheit nicht die Verjährung der Urlaubsansprüche einwenden. Der Urlaub war in voller Höhe abzugelten.

Und der Urlaubsabgeltungsanspruch?

Anders beurteilt das Bundesarbeitsgericht die Rechtslage hinsichtlich der Verjährung des Urlaubsabgeltungsanspruchs selbst. Mit Urteil vom 31. Januar 2023 (9 AZR 456/20) entschied es, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch auch dann nach drei Jahren verjährt, wenn der Arbeitgeber seiner Mitwirkungsobliegenheit nicht nachgekommen ist. Die Verjährungsfrist beginnt daher regelmäßig mit dem Schluss des Kalenderjahres, in dem das Arbeitsverhältnis endet.

Insoweit bildet die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine zeitliche Zäsur. Der Zweck des Urlaubsabgeltungsanspruchs besteht „nur noch“ in der finanziellen Kompensation, aber nicht mehr in dem Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Zudem endet mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses die schwächere Stellung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber, sodass deren Schutzbedürftigkeit anders als bei den Urlaubsansprüchen nicht den Zweck der Verjährungsvorschriften zurücktreten lässt.

Handlungsempfehlung für Arbeitgeber

Für Arbeitgeber empfiehlt es sich, jährlich der Mitwirkungsobliegenheit nachzukommen. So kann verhindert werden, dass sich Urlaub über Jahre hinweg ansammelt. Wurde dies in den vergangenen Jahren versäumt, sollte der Hinweis nachgeholt werden und auch den Urlaub aus den zurückliegenden Jahren umfassen.

Inhaltlich setzt die Mitwirkungsobliegenheit das Folgende voraus:

  1. die konkrete Bezifferung der noch nicht genommenen Urlaubstage,
  2. die Aufforderung, den Resturlaub zeitnah zu nehmen und
  3. die Mitteilung, dass der Urlaub nach Ablauf des Kalenderjahres bzw. des Übertragungszeitraums verfällt, wenn dieser nicht genommen wird.

Der Hinweis und die Aufforderung sollten im Laufe des dritten Quartals eines jeden Kalenderjahres erfolgen, um die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tatsächlich in die Lage zu versetzen, den Urlaub noch zu nehmen. Die Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheit sollte zudem schriftlich oder per E-Mail erfolgen. So lässt sich deren ordnungsgemäße Erfüllung im Streitfall beweisen.

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