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Verdeckte Produktvorgabe durch Übernahme der Inhalte eines Datenblatts

Öffentliche Hand
Verdeckte Produktvorgabe durch Übernahme der Inhalte eines Datenblatts

Das OLG München hat in seinem Beschluss vom 26. März 2020 entschieden, dass eine verdeckte Produktvorgabe, die der Auftraggeber nicht mit auftragsbezogenen Gründen rechtfertigen kann, die Aufhebung des Vergabeverfahrens erfordert.

Sachverhalt

Der Auftraggeber schrieb die Lieferung und Montage von Medientafeln in größerer Anzahl aus. Das Leistungsverzeichnis gestaltete der Auftraggeber teilweise nach dem Datenblatt einer Medientafel, welche er bereits im Vorfeld der Ausschreibung erprobt hatte.

Ein Bieter rügte die Vorgaben des Leistungsverzeichnisses mit der Begründung, es enthalte verdeckte Produktvorgaben. Zur Substantiierung reichte der Bieter eine Liste von Geräten ein, welche zwar einige der Anforderungen des Leistungsverzeichnisses erfüllen konnten. Sämtliche dieser Produkte konnten jedoch mindestens eine der zahlreichen Bedingungen des Leistungsverzeichnisses nicht erfüllen. Der Bieter argumentierte daher, dass lediglich ein bestimmtes Produkt, welches durch Übernahme der Inhalte eines Datenblatts verdeckt vorgegeben worden sei, sämtliche Anforderungen erfüllen könne.

Nachdem der Auftraggeber der Rüge nicht abhalf, stellte der Bieter einen Nachprüfungsantrag. Die Vergabekammer Nordbayern wies den Nachprüfungsantrag als unbegründet zurück. Daraufhin erhob der Bieter sofortige Beschwerde beim Vergabesenat des OLG München.

Die Entscheidung

Das OLG München entschied, dass das Leistungsverzeichnis eine verdeckte Produktvorgabe enthielt, die nicht durch auftragsbezogene Gründe gerechtfertigt war. Dementsprechend muss das Vergabeverfahren aufgehoben und erneut eingeleitet werden.

Zunächst stellte das OLG klar, dass die Entscheidung, welcher Gegenstand mit welcher Beschaffenheit und welchen Eigenschaften beschafft werden soll, zwar grundsätzlich dem Auftraggeber obliege (sog.Beschaffungsautonomie“).

Dieses Bestimmungsrecht werde jedoch durch die Verpflichtung zur produktneutralen Ausschreibung begrenzt. Der Auftraggeber darf im Leistungsverzeichnis nicht auf ein bestimmtes Produkt verweisen, wenn hierdurch bestimmte Unternehmer oder bestimmte Produkte begünstigt oder ausgeschlossen werden, es sei denn, dieser Verweis ist durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt (§ 31 Abs. 6 VgV).

Gegen den Grundsatz der produktneutralen Ausschreibung wird nach Auffassung des OLG nicht nur dann verstoßen, wenn ein Leitfabrikat offen in der Leistungsbeschreibung vorgegeben wird. Ein Verstoß liege vielmehr auch dann vor, wenn durch die Vielzahl der Vorgaben im Leistungsverzeichnis verdeckt ein bestimmtes Produkt vorgegeben wird, da nur dieses eine Produkt sämtliche Vorgaben erfüllen kann.

Eine solche verdeckte Produktvorgabe lag nach Ansicht des OLG in Bezug auf die Anforderungen an die Medientafeln vor.

Verdeckte Produktvorgaben sind nach der vergaberechtlichen Rechtsprechung nur dann vom Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers gedeckt, wenn die Vorgaben durch den Auftragsgegenstand sachlich gerechtfertigt sind, vom Auftraggeber dafür nachvollziehbare Gründe angegeben worden sind, solche Gründe auch tatsächlich vorhanden sind und die Vorgaben andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminieren.

Eine Rechtfertigung, die diesen Anforderungen genügt, hat der Auftraggeber jedoch nach Auffassung des OLG nicht geleistet. Das OLG sah die Darlegungs- und Beweislast insoweit beim Auftraggeber und gab diesem auf, konkrete Alternativen zu dem Produkt zu benennen, welches verdeckt vorgegeben war. Der Auftraggeber konnte jedoch lediglich ein alternatives Produkt anführen, welches im Zeitpunkt der Auftragsbekanntmachung noch nicht auf dem Markt erhältlich war. Auch im Übrigen konnte er keine durchschlagenden auftragsbezogenen Gründe für die verdeckte Produktvorgabe anführen.

Praxistipp

Für öffentliche Auftraggeber verdeutlicht die Entscheidung, dass diese sorgfältig prüfen sollten, ob und wie sie die Leistungsmerkmale bestimmter Produkte in das Leistungsverzeichnis übernehmen. Solche produktspezifischen Vorgaben, die recht offensichtlich auf ein bestimmtes Produkt zugeschnitten sind, können zwar vergaberechtlich zulässig sein, lösen allerdings einen hohen Begründungsaufwand aus und erhöhen das Risiko, dass das Verfahren angegriffen wird. Zudem kann das Spektrum der Angebote hierdurch – zuweilen ggf. ungewünscht – eingeschränkt werden, da Mitbewerber davon absehen könnten, an dem Verfahren teilzunehmen, obwohl sie über Lösungen verfügen, die für den Auftraggeber attraktiv sein könnten.

Bieter sollten zeitnah und umfassend überprüfen, ob ein Leistungsverzeichnis eine verdeckte Produktvorgabe enthält, etwa indem durch „copy and paste“ Inhalte des Datenblatts eines bestimmten Produkts übernommen wurden. Ergibt sich der Verdacht einer verdeckten Produktvorgabe, sollten die Bieter dies unverzüglich rügen.

Maßgebliche Entscheidung: OLG München, Beschl. v. 26.03.2020 – Az.: Verg 22/19

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