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Übernahme von Geldbußen und -auflagen gegen Vorstandsmitglieder durch die Gesellschaft

Fachbeiträge
Übernahme von Geldbußen und -auflagen gegen Vorstandsmitglieder durch die Gesellschaft

Eine AG kann die Bezahlung einer Geldstrafe, Geldbuße oder Geldauflage, die gegen ein Vorstandsmitglied wegen einer Handlung verhängt wird, mit der das Vorstandsmitglied gleichzeitig seine Pflichten gegenüber der AG verletzt, nicht allein aufgrund eines Beschlusses des Aufsichtsrats übernehmen. Die Hauptversammlung muss einer Übernahme der Sanktion durch die Gesellschaft zustimmen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.

Nicht erst der Fall VW macht deutlich, dass Manager im Zusammenhang mit der Tätigkeit für ihr Unternehmen in das Visier von Staatsanwaltschaften und Aufsichtsbehörden geraten können. Die Vorstandsetagen sind davor nicht gefeit. Wenn nun einmal ein Ermittlungs- oder Strafverfahren gegen ein Vorstandsmitglied wegen einer von ihm zu verantwortenden Geschäftsführungsmaßnahme eingeleitet worden ist, hat das Unternehmen nicht selten ein Interesse an einer möglichst raschen Beendigung des Verfahrens, denn schon das Verfahren an sich ist mit großen Belastungen verbunden und gefährdet den Ruf des Unternehmens. Auch wenn das Vorstandsmitglied selbst von seiner Unschuld überzeugt ist und einen „Freispruch erster Klasse“ erwartet, wird es vielleicht vom Unternehmen gedrängt, eine Erledigung des Verfahrens mit Geldstrafe, -buße oder -auflage hinzunehmen. Es ist verständlich, dass sich das betroffene Vorstandsmitglied auf den „deal“ nur einlässt, wenn die Gesellschaft die straf- oder bußgeldrechtliche Sanktion übernimmt.

Der BGH hat den Aufsichtsräten dabei die Hände gebunden. Er zieht eine Parallele zu Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegen Vorstandsmitglieder wegen sorgfaltswidriger Geschäftsführungsmaßnahmen. Das Aktiengesetz bestimmt, dass die Gesellschaft auf einen Ersatzanspruch erst drei Jahre nach der Entstehung des Anspruchs verzichten kann und nur dann, wenn die Hauptversammlung zustimmt und nicht eine Minderheit, deren Anteile zusammen 10 % des Grundkapitals erreichen, widerspricht. Wenn die Gesellschaft dem Vorstand eine straf- oder bußgeldrechtliche Sanktion ersetze, die für eine Handlung verhängt werde, die gleichzeitig gegenüber der Gesellschaft pflichtwidrig sei, füge sich die Gesellschaft einen Nachteil zu, den eigentlich das Vorstandsmitglied zu tragen hätte. Dies führe – ähnlich einem Verzicht auf Schadensersatzansprüche – zu einer dauerhaften Vermögenseinbuße der Gesellschaft. Darüber habe die Hauptversammlung zu entscheiden. Das Vermögen der Gesellschaft stehe wirtschaftlich nicht dem Aufsichtsrat, sondern den Aktionären zu, so dass diese berufen seien, eine solche Selbstschädigung zu beschließen, soweit der Schutz der Gesellschaftsgläubiger gewahrt bleibe.

Der BGH hatte in seiner „ARAG“-Entscheidung aus dem Jahr 1997 noch ausgeführt, dass ein Aufsichtsrat ausnahmsweise von der Durchsetzung eines Ersatzanspruchs gegen ein Vorstandsmitglied absehen könne, wenn gewichtige und mindestens gleichwertige Gründe des Gesellschaftswohls der Geltendmachung des Ersatzanspruchs entgegenstünden. Es hätte nahe gelegen, den Aufsichtsräten diesen Beurteilungsspielraum auch bei der Übernahme von straf- oder bußgeldrechtlichen Sanktionen zu konzedieren. Dem hat der BGH jedoch eine Absage erteilt. Die in der Übernahme einer solchen Sanktion liegende Schädigung der Gesellschaft gehe über das in Ausnahmefällen zum Wohl der Gesellschaft mögliche Absehen von der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen hinaus. Damit bleibt einem Aufsichtsrat für gesamthafte Abwehrstrategien zum Schutz des Unternehmens kaum noch Raum. Das Dilemma wird am Beispiel von Kartellverfahren besonders deutlich: Das Unternehmen möchte das Kronzeugenprivileg in Anspruch nehmen und ist dafür auf die vorbehaltlose Mitwirkung des betroffenen Vorstandsmitglieds angewiesen. Dieses verlangt dafür vom Aufsichtsrat, dass die Gesellschaft ein persönliches Bußgeld ersetzt.

Maßgebliche Entscheidung:BGH, Urt. v. 08.07.2014 – II ZR 174/13

Fazit: Der Aufsichtsrat einer AG kann einem Vorstandsmitglied die Freistellung von einer straf- oder bußgeldrechtlichen Sanktion für ein Verhalten, das zugleich eine Pflichtverletzung gegenüber der AG darstellt, nicht verbindlich zusagen. Übergeordnete Unternehmensinteressen ändern daran nichts.

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