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Stolperfallen bei der Aufhebungsentscheidung

Öffentliche Hand
Stolperfallen bei der Aufhebungsentscheidung

Die Vergabekammer Baden-Württemberg stellt fest, dass ein Vergabeverfahren wegen fehlender Haushaltsmittel nur rechtmäßig aufgehoben werden kann, wenn die zugrunde gelegte Kostenschätzung ordnungsgemäß aufgestellt wurde. Hierbei steckt der Teufel oftmals im Detail. Der Beschluss der VK Baden-Württemberg befasst sich sehr ausführlich mit den näheren Anforderungen an eine solche ordnungsgemäße Kostenschätzung.

Sachverhalt

Ein öffentliche Auftraggeber (AG) schrieb im Sommer 2019 für den Neubau eines Fußgängerstegs die Leistungen „Stahlbau“, „Rohbau“, „Elektrotechnik“ und „Erdbau“ gesamthaft aus. Der AG hatte, ausgehend von einer durch ein Fachbüro aufgestellten Kostenberechnung, im Vorjahr entsprechende Haushaltsmittel für das Vorhaben eingeplant.

Das Fachbüro hat nach Veröffentlichung der Ausschreibung aber vor Ablauf der Angebotsfrist ein bepreistes Leistungsverzeichnis aufgestellt. Da zwischen dem bepreisten Leistungsverzeichnis und dem einzigen eingegangen Angebot ein Preisunterschied von über 200% bestand, hob der AG das Verfahren wegen fehlender Haushaltmittel auf.

Gegen die Aufhebung des Verfahrens strengte die betreffende Bietergemeinschaft ein Nachprüfungsverfahren an, in dem die VK Baden-Württemberg zu überprüfen hatte, ob die Aufhebung rückgängig gemacht werden musste oder hilfsweise die Aufhebungsentscheidung jedenfalls nicht durch einen vergaberechtlichen Aufhebungsgrund im Sinne des § 17 EU VOB/A gedeckt war.

Die Entscheidung

Nach Ansicht der VK Baden-Württemberg war die Aufhebung des Verfahrens im konkreten Fall zwar von keinem vergaberechtlichen Aufhebungsgrund gedeckt, aber aufgrund eines sachlichen Grundes dennoch wirksam.

Die Vergabekammer stellte fest, dass zum Zeitpunkt des Ausschreibungsbeginns keine ordnungsgemäße Schätzung der voraussichtlichen Kosten des Vorhabens vorlag. Die bei Veröffentlichung der Ausschreibung existierende Kostenberechnung des Fachbüros war – wie der AG selbst einräumte – zu diesem Zeitpunkt aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Konkretisierung des Ausschreibungsgegenstandes bereits überholt. Am Fehlen einer ordnungsgemäßen Kostenprognose konnte auch das später erstellte bepreiste Leistungsverzeichnis nichts ändern. Ohne eine ordnungsgemäße Kostenermittlung zu Beginn des Verfahrens kann der öffentliche Auftraggeber die Aufhebungsentscheidung nicht auf den Grund der Budgetüberschreitung stützen, weil das zugrunde gelegte Budget letztlich nicht zum Ausschreibungsumfang passt.

Unter Verweis auf einschlägige Rechtsprechung des BGH und der VK Bund macht die VK Baden-Württemberg deutlich, dass die Aufhebung des Vergabeverfahrens dennoch nicht rückgängig gemacht werden muss, da zumindest ein sachlicher Grund vorlag. Eine „Aufhebung der Aufhebung“ sei nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen erforderlich, bei denen die Aufhebung ohne das Vorliegen eines sachlichen Grundes zur Diskriminierung einzelner Bieter, zum Schein oder aus Willkür erfolgte. Im vorliegenden Fall konnte das Vorhaben mit den eingestellten Haushaltsmitteln aber tatsächlich nicht realisiert werden. Dieser unstreitige Umstand stellt einen sachlichen Grund für die Aufhebung des Verfahrens dar.

Praxistipp

Diese Entscheidung zeigt einmal mehr, wie wichtig die umfangreiche Dokumentation der wesentlichen Verfahrensschritte und Entscheidungen über das gesamte Vergabeverfahren hinweg ist. Dies gilt von dem Hintergrund einer möglichen Aufhebung wegen Unwirtschaftlichkeit oder Budgetüberschreitung in besonderem Maße auch in Bezug auf die Kostenprognose.

 

Hierbei gilt:

  • Die im Vorfeld der Ausschreibung ermittelten Kosten müssen sich auf den Leistungsumfang beziehen, der tatsächlich auch Gegenstand der Ausschreibung ist.
  • Die Kostenprognose muss zum Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung (noch) aktuell sein.
  • Die Methode zur Aufstellung der prognostizierten Kosten muss nachvollziehbar dokumentiert sein.

Ist eine dieser Anforderungen nicht erfüllt, dürfte eine rechtmäßige Aufhebung wegen Unwirtschaftlichkeit nur selten gelingen.

 

Maßgebliche Entscheidung: VK Baden-Württemberg, Beschl. v. 31.01.2020 – AZ. 1 VK 69/19

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