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Stellungnahme zur Vereinfachung und Beschleunigung von Vergabeverfahren mittels funktionaler Leistungsbeschreibung („kombiniertes Planen und Bauen“)

Öffentliche Hand
Stellungnahme zur Vereinfachung und Beschleunigung von Vergabeverfahren mittels funktionaler Leistungsbeschreibung („kombiniertes Planen und Bauen“)

 „Zu teuer, zu spät fertig und wenig innovativ“ - im Vergleich zur privaten Wirtschaft schneiden öffentliche Bauvorhaben in der Berichterstattung selten gut ab. Man mag dem entgegenhalten, dass Medien in aller Regel Negativbeispiele aufgreifen und über plangemäß umgesetzte Projekte eher wenig berichten. Tatsache ist aber auch, dass derzeit noch viele öffentliche Auftraggeber vergaberechtlich bestehende Gestaltungsspielräume für eine bessere und wirtschaftlichere Beschaffung, wie insbesondere die funktionale Leistungsbeschreibung, ungenutzt lassen. Nicht zuletzt auch aufgrund (vermeintlicher) Hürden des Vergaberechts.

Die funktionale Leistungsbeschreibung hat zur Folge, dass ein öffentlicher Auftraggeber neben den Bau- auch die Konstruktions- und Planungsleistungen dem Auftragnehmer überträgt. Dies bedingt, dass ein einziges Unternehmen den Gesamtauftrag erhält, meist zu einem Festpreis, und nicht viele verschiedene Unternehmen mit einzelnen Losen oder Gewerken und den hieraus allseits bekannten Schnittstellenproblemen beauftragt werden. Im allgemeinen Sprachgebrauch werden solche Gestaltungen oft als Generalunternehmervergabe oder Totalunternehmervergabe bezeichnet.

Aus unser praktischen Erfahrung mit einer Vielzahl erfolgreich umgesetzter Projekte, die wir in Form der Totalunternehmervergabe („Kombiniertes `Planen und Bauen´“) für öffentliche Auftraggeber auf Bund-, Landes- und kommunaler Ebene realisiert haben, lässt sich Folgendes festhalten:

Die Ausschreibung mittels funktionaler Leistungsbeschreibung bietet erhebliche Vorteile gegenüber der „klassischen“ Gestaltung mittels Leistungsverzeichnis: hohe Kosten- und Terminsicherheit bereits zur Vergabeentscheidung bei gleichzeitig vereinfachter Abwicklung, da die Koordination mehrerer Vertragspartner entfällt. Durch einen integrierten Planungs- bzw. Konzeptwettbewerb können solche Verfahren zudem zu einem echten „Innovations-Booster“ werden. Hier lässt sich der Preiswettbewerb mit einem effektiven Wettbewerb um die besten Nachhaltigkeitstechnologien kombinieren. Das ermöglicht dem Auftraggeber, das in allen Aspekten beste Gesamtkonzept zu finden. Die Lösungsoffenheit dieser Verfahrenskonzeption fördert den Wettbewerb in allen zentralen Beschaffungsaspekten zugleich, während bei einer Ausschreibung in Einzellosen/-gewerken häufig nur der Preis als einzig sinnvolles Zuschlagskriterium verbleibt.

Der gern verbreitete Einwand, dass diese Gestaltungen dem Mittelstand vor Ort „das Wasser abgraben“ würden und nur Großkonzerne zum Zuge kämen, hat sich dabei in der Praxis nicht bestätigt. Vielmehr zeigen die Erfahrungen mit verschiedensten Projekten das Gegenteil: Häufig handelt es sich bei den Generalunternehmern/ Totalunternehmern selbst um regional verwurzelte und mittelständisch geprägte Unternehmen, die für die Einzelgewerke und Nachunternehmerleistungen wiederum weitere mittelständische Unternehmen direkt vor Ort rekrutieren.

Mit der Leistungserbringung in derartigen Strukturen sind sowohl die Bauwirtschaft als auch andere Branchen bestens vertraut, weil sie genau auf diese Weise für die Industrie und sonstige Privatunternehmen tätig werden. Untersuchungen zeigen zudem, dass bei einer solchen Ausschreibungsgestaltung deutlich mehr regionale Unternehmen Leistungen ausführen als bei einer Ausschreibung in Form von Einzelgewerken, die meist auf einen reinen preislichen Unterbietungswettbewerb hinauslaufen und bei denen die regionalen mittelständischen Unternehmen daher nicht selten weniger Berücksichtigung finden. Der Auftraggeber kann die Einbindung regionaler Unternehmen zudem aktiv fördern, indem er in der Ausschreibung des Totalunternehmers ein Mittelstandskonzept fordert. Abgesehen davon dürfte in Zeiten voller Auftragsbücher eher der Auftraggeber es sein, der sich um genügend freie Kapazitäten im Mittelstand sorgen muss, und nicht umgekehrt die Unternehmen um hinreichend Auslastung.

Warum also wird die Form der Funktionalausschreibung in der Praxis noch so zurückhaltend genutzt?

Eine wichtige Ursache hierfür liegt unseres Erachtens in der EU-rechtlich längst überkommenen Formulierung des § 7c (EU)  Abs.1 VOB/A, der noch oft rein national ausgelegt und angewendet wird. Die Norm sieht derzeit (noch?) den Vorrang der Ausschreibung im Einzelgewerk gegenüber funktional ausgestalteten, kombinierten Totalunternehmervergaben vor und zementiert damit ein Vergabedesign, das dem heutigen vielfachen Bedürfnis nach integrierten Planungsansätzen auf digitalen Plattformen nicht mehr gerecht wird und regelmäßig zu hohen Mehrkosten und Zeitverzögerungen führt. Und das gilt nicht nur für Großprojekte, sondern gerade für Vorhaben von „üblicher“ Relevanz, wie etwa Schulen, Kitas, Rathäuser, Wohnunterkünfte, Krankenhäuser, Brücken o.ä.

Dabei ist die Rechtslage eindeutig: Das EU-Vergaberecht erachtet funktionale Leistungsbeschreibungen als mindestens gleichwertig, wenn nicht sogar als vorrangig gegenüber der Ausschreibung im Einzelgewerk (vgl. Kulartz/Weidemann, NZBau 2021, 571 ff.). Der EU-Gesetzgeber betont ausdrücklich, dass die Formulierung von Leistungsbeschreibungen in Form von bloßen Funktions-und Leistungsanforderungen es in der Regel am besten erlaubt, Wettbewerb zu schaffen und dass dies überdies auch ein geeignetes Mittel ist, „um im öffentlichen Auftragswesen Innovationen zu fördern“. Er empfiehlt daher ausdrücklich die „möglichst breite Verwendung“ (vgl. RL 2014/24/EU, EG 74). Aufgrund des Vorrangs des EU-Rechts müsste § 7c EU Abs. 1 VOB/A zumindest europarechtskonform ausgelegt werden, idealerweise aber ersatzlos entfallen.

Absolut wünschenswert wäre daher aus unserer Sicht eine Abschaffung des in § 7c (EU) Abs.1 VOB/A vorgesehenen Vorrangs eines Leistungsverzeichnisses vor einer funktionalen Leistungsbeschreibung oder zumindest Handreichungen oder interne Verwaltungsvorschriften, die auf eine europarechtlich gebotene, reduzierende Auslegung hinweisen und eine verstärkte Nutzung der funktionalen Leistungsbeschreibung klar empfehlen.

Damit einhergehen sollte eine entsprechende Öffnung des Vorrangs der (Fach-)Losaufteilung, der gerade im Bereich der Funktionalausschreibung lediglich zu erheblichem Dokumentationsaufwand ohne erkennbaren Mehrwert führt.

Die Vorteile einer funktionalen Leistungsbeschreibung sind nach unserer Erfahrung im Übrigen grundsätzlich auch auf andere Märkte, insbesondere auf IT-Vergaben und den Rüstungsbereich, übertragbar.“

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