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Soziale Kriterien im Vergaberecht – Ein unterschätzter Steuerungsfaktor, der sich finanziell lohnen kann

Öffentliche Hand
Soziale Kriterien im Vergaberecht – Ein unterschätzter Steuerungsfaktor, der sich finanziell lohnen kann

Zu einem der wichtigsten Leitsätze des Vergaberechts gehört der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz. Obgleich in diesem Begriff mehr steckt als die „Vergabe zum günstigsten Preis“, erhält in der Realität häufig das preiswerteste Angebot den Zuschlag.

Schon seit dem Inkrafttreten der Vergaberechtsnovelle im Jahr 2016 gibt das Vergaberecht Auftraggebern ausdrücklich – die bislang noch immer nicht häufig genutzten - Möglichkeiten an die Hand, ihrer Vergabe nicht ausschließlich monetäre, sondern auch soziale Ziele zugrunde zu legen (vgl. § 58 Abs. 2 VgV oder § 16d Abs. 1 Nr. 5 VOB/A bzw. § 16d Abs. 2 Nr. 2 lit. a) EU VOB/A).

Der Begriff „Sozialkriterium“ weist inhaltlich eine gewisse Unschärfe auf. Orientierung bietet auf europäischer Ebene die Europäische Kommission, die in einem Leitfaden für die Berücksichtigung sozialer Belange bei der Vergabe öffentlicher Aufträge aus dem Jahr 2021 beispielhaft soziale Kriterien benennt. Darunter fallen u.a. die gesellschaftliche Teilhabe und Beschäftigungsmöglichkeiten von Menschen mit Behinderungen, die Verbesserung der Diversitätspolitik und Beschäftigungsmöglichkeiten für junge und ältere Menschen oder von Menschen aus sogenannten benachteiligten Gruppen oder in prekären Lebenslagen.

Der Nutzen sozialer Kriterien im Vergabeverfahren

In Vergabekreisen ist gegenwärtig noch häufig die Auffassung verbreitet, soziale Kriterien würden nichts als unnötigen Mehraufwand und ungewollte Mehrkosten für die öffentlichen Haushalte bedeuten. Kritische Stimmen weisen daneben auf erhöhtes Missbrauchsrisiko und Diskriminierungspotential durch gezielten Einsatz sozialer Kriterien im Vergabeverfahren hin.

Zwar sind diese Bedenken nachvollziehbar, doch greifen sie oftmals zu kurz.

Privatwirtschaftliche Akteure machen es derzeit im Rahmen von medienwirksamen ESG-Kampagnen vor und setzen mit sozialer und nachhaltiger Beschaffungsgestaltung Akzente, die auch für die öffentliche Hand interessant sein können.

Die besondere Verantwortung der öffentlichen Hand vor dem Hintergrund der staatlichen Grundrechtsbindung, begründet gerade für öffentliche Auftraggeber eine erhöhte Pflicht zum Schutz von Allgemeinwohlbelangen. Die Einbeziehung sozialer Gesichtspunkte hat das Potential, sich langfristig so positiv auf Gesellschaft und Wirtschaft auszuwirken, dass die gegebenenfalls kurzfristig entstehenden Nachteile für den öffentlichen Haushalt mehr als aufgewogen werden.

„Soziale Vergabe“ kann sich finanziell lohnen

Die Entscheidung zu treffen, soziale Kriterien im Vergabeverfahren zu berücksichtigen, kann für öffentliche Auftraggeber zudem in zweifacher Hinsicht finanzielle Vorteile bringen.

Zum einen können Auftraggeber selbst von Fördermaßnahmen profitieren, die beispielsweise für sozial gerechten Städtebau oder innovative Ansätze der ländlichen Entwicklung vergeben werden.

Zum anderen bestehen projektbezogene Förderungsmöglichkeiten für innovative, gemeinwohlorientierte Unternehmen, die sich auf Auftraggeberseite positiv auf die Preisgestaltung auswirken können.

Vielfältige Umsetzungsmöglichkeiten auf allen Stufen des Vergabeprozesses

Auftraggeber sind bei der Implementierung sozialer Kriterien in ihren Vergabeverfahren flexibel und es besteht ein weitreichender Gestaltungsspielraum. Sie können sowohl bei der Vorbereitung von Vergabeverfahren als auch bei der Leistungsbeschreibung, der Eignung, den Ausführungshandlungen und Zuschlagskriterien Berücksichtigung finden. Des Weiteren können sie im Bereich der fakultativen Ausschlussgründe zum Tragen kommen.

Praxistipp

Beachtet werden muss, dass z.B. die Ausgestaltung von Eignungs- oder Zuschlagskriterien mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen muss. Vor dem Hintergrund der weitreichenden Steuerungswirkung durch die Anwendung von sozialen Kriterien in Vergabeverfahren sollten sich öffentliche Auftraggeber im Vorfeld von geplanten Vergaben mit möglichen Zielsetzungen auseinandersetzen und dabei abwägen, ob, in welcher Form und in welchem Umfang der Einsatz sozialer Kriterien bei der Vergabe sinnvoll sein könnte.

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