Kontakt

Ob Sie lieber eine E-Mail senden, zum Telefon greifen oder das gute alte Fax nutzen. Wir freuen uns, von Ihnen zu hören.

Anruf unter
+49 711 86040 00
Fax unter
+49 711 86040 01

Rechtsbrüchiger Bieter macht keine Angaben zur Selbstreinigung? Auftraggeber muss nachfragen!

Öffentliche Hand
Rechtsbrüchiger Bieter macht keine Angaben zur Selbstreinigung? Auftraggeber muss nachfragen!

Auch schwere berufliche Verfehlungen berechtigen den Auftraggeber nicht in jedem Fall zu einem Angebotsausschluss. Der Bieter kann den Ausschluss gemäß § 125 GWB verhindern, indem er nachweist, dass er im Rahmen einer sog. „Selbstreinigung“ hinreichende Compliance-Maßnahmen ergriffen hat, die darauf abzielen, eine Wiederholung zu verhindern und den entstandenen Schaden auszugleichen. Die deutsche Bestimmung entspricht Art. 57 Abs. 6 der Richtlinie 2014/24/EU.

Zu dieser Norm hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) nun entschieden, dass Bieter nicht unbedingt von sich aus schon mit der Angebotsabgabe solche Selbstreinigungsmaßnahmen nachweisen müssen. Der EuGH stellte klar, dass Artikel 57 Abs. 6 der Richtlinie 2014/24/EU im nationalen Recht unmittelbar anwendbar ist und Bietern einen Anspruch gibt, vor einem Ausschluss geeignete Compliance-Maßnahmen nachweisen zu dürfen. Zwar obliege die konkrete Ausgestaltung den Mitgliedstaaten. Sie könnten daher insbesondere auch – wie in einem belgischen Gesetz offenbar geschehen – regeln, dass Bieter diesen Nachweis aus eigenem Antrieb erbringen müssen. Aus dem Transparenz- und Gleichbehandlungsgrundsatz folge aber, dass die Vergabeunterlagen die Bieter dann im Vorfeld transparent über eine solche Verpflichtung informieren oder auf die einschlägige nationale Rechtsvorschrift verweisen müssen. Daran fehlte es im entschiedenen Fall.

Ebenso wie Art. 57 Abs. 6 der Richtlinie 2014/24/EU regelt auch der deutsche § 125 GWB nicht explizit, ob ein Unternehmen Maßnahmen der Selbstreinigung eigeninitiativ nachweisen muss oder ob dies erst auf eine Aufforderung des Auftraggebers hin erforderlich ist. Im Grundsatz haben nach dieser EuGH-Entscheidung also auch hierzulande Bieter einen Anspruch darauf, vor einem Ausschluss gemäß §§ 123 oder 124 GWB ausdrücklich aufgefordert zu werden, etwaige Selbstreinigungsmaßnahmen darzulegen.

Fazit und Praxistipp

Um auf der „sicheren Seite“ zu sein, sollten Auftraggeber Bieter in Zweifelsfällen zu etwaigen Selbstreinigungsmaßnahmen befragen, bevor sie sie gemäß §§ 123 oder 124 GWB ausschließen. Bieter sollten sich auf eine solche separate Aufklärung aber nicht verlassen, denn in bestimmten Fällen kann diese entbehrlich sein. Außerdem sollten sie bedenken, dass sie die Darlegungs- und Beweislast tragen.

Maßgebliche Entscheidung: EuGH, Urt. v. 14.01.2021 – Rs. C-387/19

Zurück