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Neue Bekanntmachung der EU zum Begriff der staatlichen Behilfe

Fachbeiträge

Die Europäische Kommission hat am 19. Mai 2016 ihre „Bekanntmachung zum Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union“ veröffentlicht. Die deutsche Fassung wurde am 19. Juli 2016 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Die Bekanntmachung ist der letzte Baustein der 2012 von der Europäischen Kommission eingeleiteten Initiative zur Modernisierung des Beihilfenrechts. Ziel der Bekanntmachung ist die Erläuterung, in welchen Fällen eine Beihilfe nach Art. 107 Abs. 1 AEUV vorliegt, die dann grundsätzlich von der Europäischen Kommission genehmigt werden muss.

Die Europäische Kommission hat in dieser Bekanntma¬chung die Rechtsprechung der Europäischen Gerichte und ihre eigene Beschlusspraxis systematisch zusammengefasst. Da es sich bei dem Begriff der staatlichen Beihilfe um ein objektives Tatbestandsmerkmal von Art. 107 Abs. 1 AUEV handelt, ist für dessen rechtsverbindliche Auslegung aber allein der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zuständig. Dies ist bei denjenigen Passagen im Hinterkopf zu behalten, bei denen die Europäische Kommission lediglich ihre eigene Auffassung zu einzelnen Gesichtspunkten darstellt.

Aus kommunaler Sicht sind folgende Aspekte hervorzuheben:

  • Im Hinblick auf das Vorliegen eines „Unternehmens“ hat die Europäische Kommission die Anwendbarkeit des Beihilfenrechts im Kulturbereich deutlich eingeschränkt. So soll es bei Aktivitäten, für die von Besuchern bzw. Teilnehmern zwar ein finanzieller Beitrag erhoben wird, dieser aber nur einen Bruchteil der tatsächlichen Kosten deckt, an einem „unternehmerischen“ Handeln fehlen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat unter Berufung auf die Europäische Kommission in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass der Begriff des „Bruchteils“ alle Fallgestaltungen erfasst, in denen 50% oder weniger der Kosten durch Besucher- bzw. Benutzerentgelte gedeckt werden. Darüber hinaus soll nur dann eine Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedsstaaten vorliegen, wenn es sich um große und renommierte kulturelle Aktivitäten oder Institutionen handelt, für die außerhalb eines regionalen Einzugsbereichs intensiv geworben wird.
  • Im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal der „Begünstigung“ erläutert die Europäische Kommission den Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers, der auf verschiedene Situationen angewendet werden kann, bspw. den Verkauf von Unternehmen und Grundstücken sowie die Beteiligung an einem Unternehmen als Gesellschafter. Im Zusammenhang mit der Frage des Vorliegens einer Begünstigung äußert sich die Kommission auch erneut zum Verhältnis von Beihilfen- und Vergaberecht. Die Behörde ist erkennbar bemüht, diese beiden Rechtsgebiete soweit wie möglich zu harmonisieren. Sie formuliert den Grundsatz, dass immer dann, wenn staatliche Behörden Waren, Binnen- oder Dienstleistungen auf der Grundlage von Ausschreibungsverfahren beziehen, die mit den europäischen Vorschriften über die öffentliche Auftragsvergabe im Einklang stehen, davon ausgegangen werden kann, dass keine staatliche Beihilfe vorliegt. Allerdings gibt es weiterhin Konstellationen, in denen dieser Grundsatz nicht gilt.
  • Im Hinblick auf die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Eignung zur Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels knüpft die Europäische Kommission an ihr Entscheidungspaket aus dem Jahr 2015 an und bildet verschiedene Fallgruppen, in denen aus ihrer Sicht die Eignung staatlicher Maßnahmen zur Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels zu verneinen ist.

Die beihilfenrechtliche Beurteilung von staatlichen Infrastrukturmaßnahmen wurde in den letzten Jahren intensiv diskutiert und in der Praxis von erheblicher Rechtsunsicherheit geprägt. Aus diesem Grund hat die Europäische Kommission - quasi als Fremdkörper - ein eigenes Kapitel zu Infrastrukturmaßnahmen in die Bekanntmachung aufgenommen. Dabei wird unterschieden zwischen den verschiedenen Beteiligten/Ebenen (1) Ebene des Trägers/ Eigentümers, (2) Ebene des Betreibers und (3) Ebene des Endnutzers einer Infrastruktur.

Darüber hinaus stellt die Europäische Kommission nochmals die Abgrenzung zwischen einer wirtschaftlichen und einer nicht-wirtschaftlichen Nutzung einer Infrastruktur dar und fasst die bisherige Entscheidungspraxis anhand von Fallgruppen systematisch zusammen. Wichtig ist dabei der Hinweis der Europäischen Kommission, dass sich „übliche Zusatzleistungen“ (wie Restaurants, Geschäfte oder bezahlte Parkplätze) von fast ausschließlich für nicht-wirtschaftliche Tätigkeiten genutzten Infrastrukturen in der Regel nicht auf den Handel zwischen Mitgliedsstaaten auswirken. Auch die Finanzierung von Zusatzleistungen, die in Verbindung mit nicht-wirtschaftlichen kulturellen oder für die Erhaltung des kulturellen Erbes bestimmten Tätigkeiten erbracht werden (z.B. ein Geschäft, eine Bar oder kostenpflichtige Garderobe in einem Museum) dürfte sich in der Regel nicht auf den Handel zwischen Mitgliedsstaaten auswirken. Die in der Praxis häufige Frage nach der Einordnung solcher „Zusatzleistungen“ (z.B. Gastronomie und Shop in Freilichtmuseum) dürfte damit künftig meist eindeutig beantwortet werden können.

Fazit: Mit der Bekanntmachung zum Begriff der staatlichen Beihilfe ist die Reform zur Modernisierung des Beihilfenrechts abgeschlossen. Sie bietet eine aktuelle und umfassende Erläuterung der Tatbestandsmerkmale des Beihilfenbegriffs. Die Darstellung erweitert die Handlungs- und Argumentatonsspielräume der Kommunen in der Praxis und ist deshalb zu begrüßen.

Rechtsgrundlage: Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,ABl. EU C 262/1 vom 19.07.2016

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