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Mehr Gerechtigkeit für den stationären Handel – die EU novelliert die Vertikal-GVO und die Vertikal-Leitlinien

Fachbeiträge
Mehr Gerechtigkeit für den stationären Handel – die EU novelliert die Vertikal-GVO und die Vertikal-Leitlinien

Während im normalen Leben eher der Grundsatz gilt „Alles was nicht verboten ist, ist erlaubt“, gilt im Kartellrecht gerade das Gegenteil: Hier ist jede Wettbewerbsbeschränkung verboten, die nicht ausdrücklich erlaubt ist. Unternehmen im Wettbewerb laufen sozusagen an einer Straße voller roter Ampeln entlang und dürfen die Straße nur ausnahmsweise queren, wenn eine Ampel grün wird.

Die wichtigste dieser „Ampeln“ mit Gesetzescharakter ist die Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung (Vertikal-GVO), die für Hersteller und Händler mit einem Marktanteil von bis zu 30 Prozent die wesentlichen Ausnahmen zum Kartellverbot im Vertrieb regelt. Diese Ampel wird nur alle zwölf Jahre neu programmiert, das nächste Mal am 1. Juni 2022. Nun hat die Europäische Kommission den Entwurf der neuen Vertikal-GVO vorgelegt und hat alles, was nicht im Gesetzesentwurf steht, in sogenannten Vertikal-Leitlinien notiert.

Aus den Vertikal-Leitlinien ergeben sich vor allem wesentliche Neuerungen für stationäre Händler. Im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage soll es nach Rn. 195 der künftigen Vertikal-Leitlinien ausdrücklich zulässig sein, wenn Händler je nach Vertriebsweg online oder offline unterschiedliche Einkaufspreise bei ihren Lieferanten bezahlen müssen. Voraussetzung dafür soll sein, dass der Vertrieb über einen bestimmten Vertriebsweg höhere Kosten verursacht und dies in der Preisgestaltung entsprechend abgebildet wird. Hersteller werden somit endlich eine Möglichkeit haben, stationären Händlern, die höhere Miet-, Personal- oder Dekorationskosten in repräsentativen Ladenflächen in der Innenstadt haben, günstigere Einkaufspreise anzubieten als Online-Händlern, deren Kosten sich im Wesentlichen auf die Errichtung und Aktualisierung ihres Webshops, ggf. kombiniert mit Lagerhaltung und Support, beschränken. Der Wettbewerbsnachteil des stationären Handels im ungleichen Wettbewerb zum Online-Handel kann dadurch jedenfalls teilweise reduziert werden.

Mehr Lenkungsmöglichkeiten im Vertrieb

Die Vertikal-GVO selbst sieht ebenfalls weitergehende Lenkungsmöglichkeiten im Vertrieb vor als bisher. So ermöglicht die Neuregelung von Art. 4 b) ii) künftig, dass ein Hersteller in einem Gebiet innerhalb der EU ein selektives Vertriebssystem und in einem anderen Gebiet innerhalb der EU ein Alleinvertriebssystem unterhält. Händler außerhalb des selektiven Vertriebssystems sollen keine nicht-autorisierten Händler innerhalb des selektiven Vertriebsgebiets beliefern dürfen. Auch eine Gebietsabgrenzung soll künftiger einfacher werden. So sollen Herstellern etwa einem für Frankreich zuständigen Händler künftig untersagen dürfen, seine Waren online auch über eine spanische oder deutsche Sprachfassung seines Online-Shops grenzüberschreitend anzubieten.

Online-Plattformen macht die Europäische Kommission das Leben künftig schwerer. Nach Art. 5 Abs. 1 der neuen Vertikal-GVO sollen Bestpreisklauseln, wonach ein Hersteller oder Händler seine Waren auf konkurrierenden Plattformen nicht günstiger verkaufen darf, auch bei einem Marktanteil von unter 30 Prozent nicht vom Kartellverbot freigestellt sein. Zudem sollen Hersteller nach Ziff. 194 der Vertikal-Leitlinien die Möglichkeit haben, ihren Händlern den Verkauf ihrer Produkte über Online-Plattformen künftig generell zu untersagen.

Unsicherheit für Hersteller mit Direktvertrieb

Zu deutlich mehr Rechtsunsicherheit führt der Entwurf der neuen Vertikal-GVO jedoch für Hersteller, die im Direktvertrieb tätig sind, und somit im Wettbewerb zu ihren eigenen Händlern stehen. Nach Art. 2 Abs. 4-6 Vertikal-GVO sollen ihre vertraglichen Regelungen grundsätzlich nur noch bis zu einem gemeinsamen Marktanteil von 10 Prozent auf der Handelsebene rechtssicher vom Kartellverbot freigestellt sein. Diese deutliche Schlechterstellung gegenüber Herstellern ohne eigenen Online-Shop würde dazu beitragen, dass die Investitionsanreize für Hersteller in ihre Handelsaktivitäten reduziert werden und somit der Hersteller als Wettbewerber seiner Händler wegfällt. Dies kann kaum im Interesse der Europäischen Kommission als Behörde liegen, die den Wettbewerb eigentlich schützen soll.

Es bleibt zu hoffen, dass die Europäische Kommission in der finalen Fassung der neuen Vertikal-GVO insoweit zur bisherigen Regelung zurückkehrt und Hersteller mit Direktvertrieb genauso bis zu einem Marktanteil von 30 Prozent vom Kartellverbot freistellt wie Hersteller, die ausschließlich über den Handel vertreiben.

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