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Lieferkette: Gestaltung von Einkaufsverträgen und neue EU-Lieferketten-Richtlinie

Fachbeiträge
Lieferkette: Gestaltung von Einkaufsverträgen und neue EU-Lieferketten-Richtlinie

Die Zeit bis zum Inkrafttreten des Gesetzes über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten (Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – LkSG) sollten Unternehmen nutzen, um auch die Einkaufsverträge an die Vorgaben des LkSG anzupassen.

Das LkSG gilt ab dem 1. Januar 2023 für alle Unternehmen mit Sitz in Deutschland und mehr als 3.000 Mitarbeitern. Ab dem 1. Januar 2024 wird der Anwendungsbereich des LkSG auf Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern erweitert. Um Menschenrechte und Umweltbelange entlang der globalen Lieferkette zu schützen, verpflichtet das LkSG die betroffenen Unternehmen zur Erfüllung zahlreicher Sorgfaltspflichten.

Vertragsgestaltung als Präventionsmaßnahme

Stellt ein Unternehmen im Rahmen der unter anderem geforderten Risikoanalyse ein menschenrechts- oder umweltbezogenes Risiko fest, muss es angemessene Präventionsmaßnahmen ergreifen. Eine Präventionsmaßnahme betrifft die Gestaltung von Einkaufsverträgen. Sie sollten folgende Regelungen enthalten:

  • Verpflichtung des Lieferanten zur Einhaltung der menschenrechts- und umweltbezogenen Erwartungen des Unternehmens (vgl. § 6 Abs. 4 Nr. 2 LkSG)
  • Kontrollrechte zu Gunsten des Unternehmens, um den Lieferanten auf Einhaltung der menschenrechts- und umweltbezogenen Erwartungen kontrollieren zu können (vgl. § 6 Abs. 4 Nr. 4 LkSG)
  • Sanktionen für den Fall von menschenrechts- oder umweltbezogenen Pflichtverletzungen, z.B. Freistellungspflichten oder Vertragsstrafen
  • Kündigungsrecht zu Gunsten des Unternehmens, um den Vertrag mit dem Lieferanten als ultima ratio beenden zu können, falls die Verletzung einer geschützten Rechtsposition durch den Lieferanten sehr schwerwiegend ist und der Verletzung nicht anderweitig abgeholfen werden kann (vgl. § 7 Abs. 3 LkSG)
  • Weitergabeklauseln, um sicherzustellen, dass die menschenrechts- und umweltbezogenen Erwartungen des Unternehmens auch in der weiteren Lieferkette erfüllt werden, d.h. auch von Vorlieferanten (vgl. § 6 Abs. 4 Nr. 2 LkSG)

 

Bei der Gestaltung solcher Regelungen sind einerseits die Pflichten nach dem LkSG ordnungsgemäß umzusetzen und andererseits müssen sie einer AGB-rechtlichen Kontrolle standhalten, sofern das Unternehmen die Regelungen – wie es in der Praxis häufig der Fall sein wird – standardmäßig vorformuliert und dem Lieferanten einseitig vorgibt (= Allgemeine Geschäftsbedingungen).

Es empfiehlt sich, jetzt schon derartige Regelungen vor allem in Rahmeneinkaufverträgen mit langen Laufzeiten vorzusehen, um zu verhindern, dass Einkaufsverträge nachverhandelt werden müssen.

Ausblick: Vorschlag der Europäischen Kommission für eine EU-Lieferketten-Richtlinie

Die Europäische Kommission verabschiedete am 23. Februar 2022 den Entwurf für eine Richtlinie zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten für Nachhaltigkeit (Directive on Corporate Sustainability Due Diligence). Der Entwurf sieht ebenfalls zahlreiche Sorgfaltspflichten vor, einschließlich der Pflicht, Geschäftspartner auf die Einhaltung des Verhaltenskodex zu verpflichten, den das in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallende Unternehmen für sich aufgestellt hat (vgl. Art. 7 Abs. 2 (b) des Entwurfs). Im Vergleich zum LkSG sieht der Entwurf allerdings einen deutlich weiteren Anwendungsbereich vor. Zwar soll die EU-Lieferketten-Richtlinie im Wesentlichen nur für Kapitalgesellschaften und regulierte Finanzunternehmen gelten, während die Rechtsform für das LkSG unbeachtlich ist. Allerdings erfasst der Entwurf bereits Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern und einem weltweiten Jahresumsatz von mindestens EUR 150 Mio. sowie Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern und einem weltweiten Jahresumsatz von mindestens EUR 40 Mio., wenn mindestens 50 % dieses Umsatzes in einer risikoträchtigen Branche generiert wurden. Dazu zählen beispielsweise die Textilindustrie, die Landwirtschaft, die Lebensmittelindustrie und die Rohstoffgewinnung (vgl. Art. 2 Abs. 1 des Entwurfs). Eine weitere Verschärfung sieht der Entwurf bei der zivilrechtlichen Haftung vor. So sieht der Entwurf im Unterschied zum LkSG eine zivilrechtliche Haftung bei einem Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten vor (vgl. Art. 22 des Entwurfs). Bleibt es dabei, können Betroffene ein sorgfaltspflichtverletzendes Unternehmen direkt in Anspruch nehmen.

Der Entwurf muss vom Europäischen Parlament und vom Rat erst noch gebilligt werden. Es können sich also noch Änderungen ergeben. Im Anschluss an das europäische Gesetzgebungsverfahren müssen die Mitgliedstaaten die EU-Lieferketten-Richtlinie innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umsetzen. Bleibt es bei dem Entwurf der Europäischen Kommission, müsste das LkSG verschärft werden, vor allem im Anwendungsbereich und bei der zivilrechtlichen Haftung.

Fazit

Wenn ein Unternehmen bei seiner Risikoanalyse ein menschenrechts- oder umweltbezogenes Risiko feststellt, muss es als eine von mehreren Präventionsmaßnahmen seine unmittelbaren Lieferanten in die Pflicht nehmen (Verpflichtung zur Einhaltung der menschenrechts- und umweltbezogenen Erwartungen, Kontrollrechte, Sanktionen, Kündigungsrecht und Weitergabeklauseln etc.). Die Einzelheiten sind noch im Fluss, insbesondere die genauen Anforderungen an die Gestaltung solcher Regelungen, wenn sie als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu qualifizieren sind. Eine Rechtsprechung zur Klauselgestaltung unter dem LkSG muss sich naturgemäß erst herausbilden.

Unternehmen, die derzeit nicht in den Anwendungsbereich des LkSG, dafür aber in den Anwendungsbereich der vorgeschlagenen EU-Lieferketten-Richtlinie fallen, sollten das europäische Gesetzgebungsverfahren im Blick behalten.

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