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Kommunale Messegesellschaft als öffentlicher Auftraggeber

Fachbeiträge

Fast 20 Jahre nachdem das europäische Vergaberecht durch das Vergaberechtsänderungsgesetz vom 26.08.1998 mit Wirkung zum 01.01.1999 in den §§ 97 ff. GWB in deutsches Recht umgesetzt wurde, gibt es noch immer Rechtsstreitigkeiten darüber, wer öffentlicher Auftraggeber ist und das GWB-Vergaberecht einhalten muss. Die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 21.03.2018 betrifft eine kommunale Messegesellschaft.

Ausgangslage


Konkret ging es um eine 100%ige städtische Tochtergesellschaft, deren satzungsmäßiger Zweck darin besteht, städtische Messehallen zu nutzen und zu bewirtschaften sowie Veranstaltungen aller Art, insbesondere Messen, Ausstellungen, Tagungen und Kongresse durchzuführen. Die Stadt hatte die Messegesellschaft mit der Durchführung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen im Bereich des allgemein zugänglichen Messe-, Kultur- und Veranstaltungsangebots in der Stadt beihilferechtlich betraut und ihr u.a. eine jährliche Eigenkapitalverstärkung gewährt. Die Messehallen hatte sie - im wirtschaftlichen Ergebnis unentgeltlich - an die Messegesellschaft verpachtet. Im Übrigen oblag der Messegesellschaft als Pächterin der Messehallen deren Bewirtschaftung jedoch eigenverantwortlich; eine Verlustausgleichspflicht hatte die Stadt nicht übernommen.

Zum Vergaberechtsstreit kam es, weil die Messegesellschaft den Vertrag mit ihrem langjährigen Reinigungsunternehmen gekündigt hatte und in einem nicht förmlichen Verfahren von mehreren Bietern Angebote über künftige Reinigungsleistungen einholte. In dem von dem Reinigungsunternehmen angestrengten Nachprüfungsverfahren stellte sich die Messegesellschaft auf den Standpunkt, dass sie keine öffentliche Auftraggeberin gem. § 99 Nr. 2 GWB sei und deshalb kein förmliches Verfahren durchführen müsse.

Die Entscheidung


Das OLG Düsseldorf sah dies im konkreten Fall anders.

Aufgrund der mehrheitlichen Besetzung des Aufsichtsrats der Messegesellschaft mit Vertretern der Stadt sei die Messegesellschaft von einer Gebietskörperschaft gemäß § 99 Nr. 1 GWB beherrscht. Ob eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe nichtgewerblicher Art vorliegt, ist unter Berücksichtigung aller erheblichen rechtlichen und tatsächlichen Umstände, die zur Gründung der betreffenden Einrichtung geführt haben, und der Voraussetzungen, unter denen sie ihre Tätigkeit ausüben, zu beurteilen (EuGH, Urt. v. 27.02.2003, Rs. C-373/00, Adolf Truley, Rz. 66).

Dass die Ausrichtung von Messeveranstaltungen, Ausstellungen und sonstigen vergleichbaren Vorhaben im Allgemeininteresse liegt, hatte der EuGH bereits vor längerem entschieden (Urt. v. 10.05.2001, Rs. C-223/99 und Rs. C-260/99, Ente Fiera; bestätigt im Urt. v. 22.05.2003, Rs. C18/01, Korhonen). Streitentscheidend war daher die Frage, ob die Messegesellschaft konkret gewerblich oder nichtgewerblich tätig ist.

Obwohl der EuGH in der Entscheidung Ente Fiera die Auffassung vertreten hatte, dass die Veranstaltung von Messen und Ausstellungen „im Allgemeinen eine gewerbliche Tätigkeit“ sei (EuGH, a.a.O, Rz. 41), bewertete das OLG Düsseldorf im konkreten Einzelfall die Tätigkeit der Messegesellschaft als nichtgewerblich.

Zwar handle die Messegesellschaft mit Gewinnerzielungsabsicht und sie trage auch die mit ihrer Tätigkeit verbundenen Risiken, insbesondere ihr Insolvenzrisiko. Auch stehe sie im Wettbewerb mit anderen Messeplätzen. Allerdings werde die Messegesellschaft nicht zu normalen Marktbedingungen tätig, da sie die Messehallen im wirtschaftlichen Ergebnis unentgeltlich von der Stadt überlassen bekomme und mit der Erfüllung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse im Sinne von Art. 106 Abs. 2 AEUV betraut sei. Die Messegesellschaft sei daher öffentlicher Auftraggeber nach § 99 Nr. 2 GWB.

Rechtliche Würdigung


Die Entscheidung des OLG Düsseldorf ist mit Blick auf den funktionalen, weit auszulegenden Auftraggeber- Begriff nachvollziehbar und verdeutlicht, dass es für die rechtliche Beurteilung stets auf alle rechtlichen und tatsächlichen Umstände im Einzelfall ankommt.

FAZIT


Messegesellschaften und ähnliche Veranstaltungsgesellschaften, die mehrheitlich von Gebietskörperschaften wie Bund, Ländern und Kommunen beherrscht werden, sind in der Regel als öffentlicher Auftraggeber zu qualifizieren, oder anders ausgedrückt: Der Standpunkt einer kommunalen Messegesellschaft, sie sei im Wettbewerb mit anderen Marktteilnehmern gewerblich tätig und damit kein öffentlicher Auftraggeber, wäre im Streitfall mit erheblichen vergaberechtlichen Risiken verbunden. Dies gilt ähnlich auch für kommunale Wohnungsbaugesellschaften, wie die Entscheidung des OLG Brandenburg, Beschl. v. 06.12.2016, Az. 6 Verg 4/16, zeigt (vgl. MB-Bulletin Öffentliche Hand, Ausgabe Sommer/ 2017).

Maßgebliche Entscheidung: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.03.2018, Verg 50/16

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