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Klimaneutralität braucht neue Wege: Die Rolle von CCS und CCU in der nachhaltigen Energieversorgung

Öffentliche Hand
Klimaneutralität braucht neue Wege: Die Rolle von CCS und CCU in der nachhaltigen Energieversorgung

Der Klimawandel stellt eine wichtige Herausforderung unserer Zeit dar. Die Europäische Union hat sich mit dem „European Green Deal“ das Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu werden. Deutschland möchte dieses Ziel sogar schon bis 2045 erreichen. Doch wie kann das gelingen, wenn in zentralen Industriezweigen – etwa der Chemie-, Zement- oder Kalkindustrie – CO₂-Emissionen technisch kaum vermeidbar sind? Hier reichen klassische Maßnahmen, wie der Ausbau erneuerbarer Energien allein nicht aus. Es braucht innovative Ansätze, um unvermeidbare Emissionen zu managen.

Im Fokus steht dabei unter anderem Carbon Capture and Storage (CCS) sowie Carbon Capture and Utilization (CCU): Sowohl bei CCU- als auch bei CCS-Verfahren wird CO2 aus der Umwelt oder direkt aus fossilen Prozessemissionen aus der Industrie oder Energiewirtschaft abgeschieden. Während die Grundidee bei CCS darin besteht, abgeschiedenes CO2 zu Endlagern im geologischen Untergrund zu transportieren und dort dauerhaft zu speichern, wird das abgeschiedene CO₂ bei CCU nicht einfach entsorgt, sondern als wertvoller Rohstoff genutzt und in neue Produkte umzuwandeln.

Der Klimaeffekt von CCU hängt maßgeblich davon ab, wie lange das CO₂ im Produkt gebunden bleibt. Langlebige Produkte wie Baustoffe können CO₂ über einen langen Zeitraum hinweg oder sogar dauerhaft der Atmosphäre entziehen. Kurzlebige Produkte führen dagegen dazu, dass das CO₂ nach kurzer Zeit wieder freigesetzt wird – hier muss der Kreislauf durch Recycling oder erneute Nutzung geschlossen werden. CCU führt dabei nicht zwangsläufig zu Negativemissionen, kann aber die Abhängigkeit von fossilem Kohlenstoff reduzieren und so einen wichtigen Beitrag zur Transformation der Industrie leisten.

Strategischer und politischer Kontext: Die Vision vom CO2-Kreislauf

Die Idee einer zirkulären Kohlenstoffwirtschaft gewinnt in Europa an Bedeutung. Ziel ist es, CO₂ nicht mehr als Abfallprodukt, sondern als Rohstoff zu betrachten. Die EU-Kommission hat in ihrer Mitteilung „Nachhaltige Kohlenstoffkreisläufe“ (2021) und der „EU-Strategie für das industrielle CO₂-Management“ (2024) die Bedeutung von CCS und CCU als zentrales Element einer klimaresilienten Wirtschaft betont.

Auch auf nationaler Ebene ist Bewegung in die Debatte gekommen: Im Februar 2024 hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz Eckpunkte für eine Carbon Management-Strategie vorgelegt. Im Juni 2024 folgte ein Gesetzentwurf zur Änderung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes (KSpG), der erstmals einen Rahmen für den CO₂-Transport in Deutschland schaffen soll. Die Bundesregierung erkennt die Rolle von CCS und CCU für den Klimaschutz ausdrücklich an, will die Förderung aber gezielt auf schwer oder nicht vermeidbare Emissionen konzentrieren.

Rechtsrahmen für CCS und CCU: Offenheit und Herausforderungen

Die rechtlichen Rahmenbedingungen für Carbon Capture and Utilization (CCU) sind vielschichtig und erstrecken sich über zahlreiche Rechtsgebiete, darunter das Umweltrecht, Energierecht sowie Chemikalien- und Produktsicherheitsvorschriften. Auf europäischer Ebene gibt Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 2021/1119 (Europäisches Klimagesetz) lediglich das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 vor, ohne sich dabei auf bestimmte Technologien festzulegen mit denen dieses Ziel erreicht werden soll. Erwägungsgrund 20 betont ausdrücklich, dass sich Mitgliedsstaaten für Technologien zur CO₂-Abscheidung und -Nutzung (CCU) entscheiden können, um den Abbau von Treibhausgasen anzugehen – dies gilt insbesondere mit Blick auf Prozessemissionen in der Industrie.

Auch in Deutschland ist der rechtliche Rahmen grundsätzlich technologieoffen gestaltet: Das in § 3 Abs. 2 Klimaschutzgesetz (KSG) geregelte Ziel der Klimaneutralität bis 2045 lässt verschiedene technologische Wege zur Zielerreichung zu. Allerdings bestehen gegenwärtig noch zahlreiche Hürden und rechtliche Unsicherheiten: Die regulatorische Einordnung von CO₂ als Abfall oder Produkt, die Genehmigung von CO2-Transportleitungen, Haftungsfragen und die Integration in bestehende Fördermechanismen sind noch nicht abschließend geklärt. 

Mit den Eckpunkten der Bundesregierung und der geplanten Änderung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes (KSpG) sollte erstmals ein rechtlicher Rahmen geschaffen werden, der insbesondere den Transport von CO₂ zur dauerhaften Speicherung (CCS) oder zur Nutzung (CCU) im größeren Maßstab rechtssicher ermöglichen und somit die kommerzielle Nutzung von CCS und CCU vorantreiben sollte. Da das Gesetzgebungsverfahren für die KSpG-Novelle nach dem Ampelbruch nicht zu Ende geführt werden konnte, bleibt abzuwarten, ob und wann in der Legislaturperiode des neuen Bundestags ein neuer Gesetzesentwurf vorgelegt werden wird. Die geplanten gesetzlichen Anpassungen wären ein wichtiger Schritt gewesen, um Investitionssicherheit zu schaffen und Innovationen zu ermöglichen. Dass die Bemühungen um eine KSpG-Novelle und ggf. weitere, flankierende Gesetze zeitnah wieder aufgenommen werden, ist sehr wahrscheinlich: Im neuen Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD für die 21. Legislaturperiode findet sich ein ganzer Absatz, der sich mit CCS und CCU befasst und die Bedeutung dieser Technologien für den Umgang mit schwer vermeidbaren Emissionen im Industriesektor betont.

Ausblick: Wie gelingt der Markthochlauf?

Die rechtlichen und politischen Weichenstellungen des vergangenen Jahres zeigen: Deutschland und Europa sind bereit, die Etablierung einer zirkulären CO₂-Wirtschaft anzugehen. Damit CO2 im industriellen Maßstab transportiert und gespeichert (CCS) bzw. genutzt (CCU) werden kann, muss aber zunächst ein Rechtsrahmen geschaffen werden, der eine sichere Grundlage für Investitionen in den Aufbau einer CO2-Transportinfrastruktur, Speicher- und Recycling-Technologien bietet. Eine KSpG-Novelle wäre in Deutschland ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, um den Markthochlauf von CCS und CCU zu ermöglichen. Darüber hinaus wäre ein ganzheitlicher Ansatz wünschenswert, der gezielte regulatorische Anreize, politische sowie finanzielle Fördermechanismen kombiniert.

In der Zeitschrift Natur und Recht Heft 1/2025 beleuchten Verena Rösner und Dr. Kaja Rothfuß dieses Thema. Zum Beitrag

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