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Finger weg von leichtfertig getätigten Direktvergaben aus technischen Gründen!

Öffentliche Hand
Finger weg von leichtfertig getätigten Direktvergaben aus technischen Gründen!

Das Vergaberecht fordert Wettbewerb. Nur in absoluten Ausnahmefällen kommt eine Direktvergabe in Form eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb in Betracht. Die Entscheidung der Vergabekammer des Bundes (Beschl. v. 28.01.2025 – VK 2-109/24) stellt erneut klar, dass die Hürden für eine zulässige Direktvergabe – zu Recht – sehr hoch sind.

Sachverhalt

Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens war die geplante Direktvergabe mehrerer gesetzlicher Krankenkassen an einen Plattformanbieter zur dermatologischen Telekonsultation. Zur Begründung wurde angeführt, dass nur dieser Anbieter – aufgrund technischer Besonderheiten – die geforderten Leistungen erbringen könne. Als Nachweis diente eine interne Markterkundung auf Basis einer Internetrecherche; eine aktive Marktkonsultation erfolgte nicht. Mit Veröffentlichung einer ex-ante-Transparenzbekanntmachung kündigten die Krankenkassen an, das ausgewählte Unternehmen im Wege eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb zu beauftragen. Die Wettbewerberin, selbst Betreiberin einer telemedizinischen Plattform mit einem anderen Geschäftsmodell, wehrte sich dagegen mit ihrem Nachprüfungsantrag.

Entscheidung

Mit Erfolg. Die Voraussetzungen einer Direktvergabe nach § 14 Abs. 4 Nr. 2 lit. b) VgV, wonach aus technischen Gründen kein Wettbewerb vorhanden ist, sind nicht erfüllt. 

§ 14 Abs. 4 Nr. 2 VgV verlangt, dass öffentliche Auftraggeber anhand einer hinreichend dokumentierten Markterkundung nachweisen müssen, dass zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Angebotsabgabe der Auftrag objektiv nur von einem bestimmten Unternehmen erbracht werden kann.

Wenn aufgrund einer Internetrecherche festgestellt wurde, dass zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Angebotsabgabe nur ein Plattformanbieter das gewünschte Modell anbietet, so greift dieses Abstellen allein auf die aktuelle Marktlage nach Auffassung der Vergabekammer zu kurz. Vielmehr hätten die Krankenkassen die Überlegung, dass Wettbewerber schnell auf das nachgefragte Modell hätten einschwenken können, mit einbeziehen müssen. Bei Berücksichtigung dieser Sachlage wäre man zu dem Ergebnis gekommen, dass eben nicht nur ein bestimmtes Unternehmen den Auftrag erbringen kann.

Die von den Krankenkassen durchgeführte Markterkundung kann überdies keinen Nachweis dafür liefern, dass nur das ausgewählte Unternehmen die nachgefragte Leistung alternativlos erbringen kann. Die nach § 14 Abs. 4 Nr. 2 VgV erforderliche Prognose, dass zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Angebotsabgabe nur ein Unternehmen die nachgefragte Leistung erbringen kann, ist auf der Grundlage einer nur intern durchgeführten Internetrecherche nicht möglich. Vielmehr hätte eine aktive Marktkonsultation erfolgen müssen. So sieht § 28 Abs. 1 VgV explizit vor, dass eine vor Einleitung eines Vergabeverfahrens durchzuführende Markterkundung nicht nur der Vorbereitung der Auftragsvergabe auf Seiten des öffentlichen Auftraggebers dient, sondern auch zur Unterrichtung der Unternehmen über seine Auftragsvergabepläne und -anforderungen. Die aktive Marktkonsultation soll dem Markt ermöglichen, sich auf einen kommenden, spezifischen Bedarf einzustellen und sich gegebenenfalls auf ein entsprechendes Beschaffungsvorhaben vorbereiten zu können.

Die Internetrecherche vermittelt zudem keine Erkenntnisse, ob und wie die am Markt tätigen Unternehmen ihr im Internet allgemein offeriertes Portfolio auf einen spezifischen Bedarf hin adaptieren können. Auch etwaig am Markt vorhandenes Innovationspotential kann so gar nicht identifiziert werden.

Handlungsempfehlung

Finger weg von leichtfertig getätigten Direktvergaben aus technischen Gründen! Dass allein ein Unternehmen aufgrund technischer Besonderheiten für einen öffentlichen Auftrag in Betracht kommt und keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung auf dem Markt vorhanden ist, bleibt die absolute Ausnahme.

Damit die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes vorliegen, gilt folgendes zu beachten:

  • Zunächst ist eine umfassende Markterkundung in Form einer aktiven Marktkonsultation vorzunehmen. Aktiv bedeutet in diesem Fall, mögliche Marktteilnehmer über die eigenen Auftragsvergabepläne und -anforderungen zu unterrichten und gegebenenfalls in den Dialog zu treten. Nur wenn nach Abschluss der aktiven Marktkonsultation feststeht, dass allein ein Unternehmen die Leistung erbringen kann, wird der Nachweis des mangelnden Wettbewerbs gelingen. 

  • Weiter ist die Ausnahmevorschrift nach § 14 Abs. 4 Nr. 2 VgV im Lichte der vergaberechtlichen Grundsätze auszulegen. Danach müssen Auftraggeber im Zeitpunkt der Aufforderung zur Abgabe des Angebotes zusätzlich eine Prognose anstellen und abzuschätzen, ob die Leistung auch in absehbarer Zeit, grundsätzlich bis zum Vertragsbeginn bzw. dem Zeitpunkt der Leistungserbringung, tatsächlich nur von einem Unternehmen erbracht werden kann.

Die Feststellungen, dass im Zeitpunkt der Aufforderung zur Angebotsabgabe aus technischen Gründen nur ein Unternehmen für die Leistungserbringung in Betracht kommt und die Prognose, dass keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung auf dem Markt bis zum tatsächlichen Vertragsschluss / Leistungsbeginn vorhanden ist, ist ordnungsgemäß zu dokumentieren. Die Hürden sind hoch. Vor diesem Hintergrund sollten sich Auftraggeber genau überlegen, ob die zu beschaffende Leistung direkt oder nicht doch vorzugswürdig im Wettbewerb ausgeschrieben wird. 

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