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EuGH sieht Plattformverbote im selektiven Vertrieb als kartellrechtlich zulässig an

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Der Europäische Gerichtshof hat den Herstellern von Waren aus dem Luxussegment ein schönes Nikolausgeschenk bereitet: Am 6. Dezember 2017 haben die Richter in der Sache „Coty“ entschieden, dass es kartellrechtlich zulässig ist, autorisierten Händlern in einem selektiven Vertriebssystem den Vertrieb über Internetplattformen wie ebay und Amazon zu untersagen. Die im Streit stehende Vertragsklausel lautete sinngemäß: „Die erkennbare Einschaltung eines Drittunternehmens, welches nicht ein autorisierter Depositär des Herstellers ist, ist ausdrücklich untersagt.“

Unter welchen Voraussetzungen darf der Vertrieb über Internetplattformen verboten werden?

 

Der Plattformvertrieb darf nach der neuen Rechtsprechung untersagt werden, wenn die folgenden sieben Kriterien kumulativ erfüllt sind:

  1. Der Hersteller vertreibt seine Waren oder einen Teil davon nur über bestimmte Vertriebspartner, die anhand objektiver Gesichtspunkte qualitativer Art ausgewählt werden.
  2. Dieses selektive Vertriebssystem ist im Wesentlichen darauf gerichtet, das Luxusimage der Waren des Herstellers sicherzustellen.
  3. Die Kriterien für die Auswahl der Vertriebspartner müssen einheitlich für alle in Betracht kommenden Wiederverkäufer festgelegt und angewendet werden.
  4. Die Auswahlkriterien dürften nicht über das Maß hinausgehen, das zur Wahrung des Luxusimages der Waren erforderlich ist.
  5. Das Erfordernis bestimmter Kriterien für die werbliche Darstellung zur Wahrung des Luxusimages der Produkte muss vertraglich sowohl für den stationären Vertrieb als auch den Online-Handel festgelegt sein.
  6. Das vertragliche Vertriebsverbot darf sich nur auf Plattformen beziehen, deren Nutzung für den Verbraucher (etwa anhand der Abbildung des Plattformlogos) erkennbar ist.
  7. Der Hersteller darf mangels eigener vertraglicher Beziehung mit dem Plattformbetreiber keine Möglichkeit haben, diesem die Gestaltung seiner Homepage zur Wahrung seines Luxusimages vorzuschreiben.

 

Neben dieser Tatbestandsausnahme vom Kartellverbot kann laut EuGH auch eine gesetzliche Freistellung nach der europäischen Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung 330/2010 mit weniger strengen Kriterien in Betracht kommen.

Warum ist das Urteil so wichtig?

 

Der EuGH stellt klar, dass es der Hersteller selbst in der Hand haben muss, die Art und Weise seiner Produktdarstellung im Internet zu kontrollieren. Das ist ihm nur möglich, wenn er selbst vertraglich darauf einwirken kann, dass die Plattform sein Luxusimage wahrt. Auf den Vertrieb seiner autorisierten Händler über Plattformen wie Amazon oder ebay hat er jedoch keine Einflussmöglichkeit, wenn es an einer Vertragsbeziehung zwischen dem Hersteller und der Plattform fehlt. Hersteller dürfen die Nutzung von Plattformen, auf deren werbliche Darstellung sie keinen Direktzugriff haben, daher generell ausschließen. Sie müssen den autorisierten Vertriebspartnern in diesem Fall die Plattformnutzung auch dann nicht ausnahmsweise erlauben, wenn die Plattform von sich aus oder auf Veranlassung des Händlers hin die Anforderungen an die werbliche Gestaltung zur Wahrung des Luxusimages erfüllt.

Welche Fragen bleiben offen?

 

Drei Fragen bleiben offen: Unter welchen Voraussetzungen gilt ein Hersteller als Anbieter von Waren mit „Luxusimage“? Ist die neue Rechtsprechung auch auf andere Bereiche übertragbar, die ein selektives Vertriebssystem rechtfertigen, so etwa Produkte mit besonders hohem Beratungsbedarf? Und schlussendlich – gilt das Urteil auch für Hersteller, die ihre Waren selbst über Amazon vertreiben und aufgrund dieser Vertragsbeziehung auch die Möglichkeit hätten, Amazon die werbliche Darstellung des Vertriebs von Marketplace-Anbietern vorzuschreiben?

In Bezug auf den Luxusbegriff ergibt sich eine erste Konkretisierung aus dem Urteil selbst. Der EuGH spricht von „Prestigecharakter und luxuriöser Ausstrahlung“, die für den Verbraucher ein Unterscheidungsmerkmal zu anderen Waren bilden. Berücksichtigt man, dass der Kläger Coty eine weite Bandbreite an Parfüms herstellt, die sich nicht immer im oberen Preissegment bewegen, erscheint der Begriff „Luxus“ jedoch als sehr dehnbar. Denkbar erscheint eine Erstreckung von Uhren über Küchengeräte bis hin zu Möbeln oder Kleidung. Es ist daher zu erwarten, dass sich künftig Hersteller aus allen Bereichen auf die neue Rechtsprechung des EuGH berufen werden, um Erfahrungssätze zu gewinnen, wie die Kartellbehörden reagieren.

Schwieriger erscheint es, die Rechtsprechung auf Produkte mit hoher Beratungsintensität zu übertragen. Hier ist nicht die werbliche Darstellung auf der Internetplattform entscheidend, sondern der Support für die Kunden. Autorisierte Händler hätten hier zumindest die Möglichkeit, auch bei einem Vertrieb über eine Internetplattform die Beratung durch eine eigene Telefon-Hotline oder Live-Video-Schaltung selbst sicherzustellen. In Betracht käme daher allenfalls ein Rückgriff auf die weniger strengen Voraussetzungen nach der Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung.

Der EuGH stellt im Übrigen klar, dass die Rechtsprechung zu Plattformverboten nicht die bisherige allgemeine Rechtsprechung zum Internetvertrieb aufhebt. Es gilt weiterhin der Grundsatz aus der Pierre-Fabre-Rechtsprechung aus dem Jahr 2011, dass der Internetvertrieb nicht vollständig untersagt werden darf, um das Luxusimage eines Produkts zu wahren.

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