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Erhöhte Darlegungslast für das Auftragsinteresse bei spezifisch angepasster Open Source Software

Öffentliche Hand
Erhöhte Darlegungslast für das Auftragsinteresse bei spezifisch angepasster Open Source Software

Häufig werden an Bieter in Vergabeverfahren zur Darlegung ihres Auftragsinteresses keine hohen Anforderungen gestellt. Dass dies nicht immer so sein muss, zeigt eine aktuelle Entscheidung des OLG Düsseldorf. Bei in der Vergangenheit aufwändig auf die Bedürfnisse des Auftraggebers zugeschnittener Open Source Software (OSS) können Bietern substantielle Ausführungen zu deren personeller und fachlicher Kompetenz zur Leistungserbringung abverlangt werden.

Sachverhalt

Der Beigeladene (B) passte seine OSS über mehrere Jahre auf die Bedürfnisse des Auftraggebers (AG) an und erweiterte sie. Nach Auslaufen des Softwarewartungsvertrags schloss der AG mit B ohne Ausschreibung einen Folgevertrag. Der AG rechtfertigte die Produktfestlegung mit der festen Verankerung der OSS in seiner IT-Infrastruktur. B habe einen Alleinstellungsstatus, aus technischen Gründen sei Wettbewerb ausgeschlossen.

Der Antragsteller (AS) legte nach erfolglosem Nachprüfungsantrag Beschwerde beim OLG Düsseldorf gegen die Direktbeauftragung von B ein. Der AG habe keine vernünftigen Alternativen erwogen, Vergaberecht durch Übernahme einer kostenlosen Software und anschließenden Abschluss eines Softwarewartungsvertrags unter Verweis auf ein Alleinstellungsmerkmal umgangen. Nicht nur B, sondern auch die AS, die die OSS von B mitentwickelt habe, sowie Dritte seien aufgrund des offenen Quellcodes in der Lage, die beauftragten Wartungs- und Weiterentwicklungsleistungen zu erbringen.

Die Entscheidung

Das OLG bestätigte den Beschluss der VK Bund, wonach der Nachprüfungsantrag mangels Darlegung des Auftragsinteresses unzulässig war.

Der AG habe seinen Beschaffungsbedarf (Softwarewartungsvertrag) festlegen dürfen ohne die Beschaffung anderer Software in Betracht zu ziehen. Vergaberecht werde dabei nicht umgangen. Die bloße Behauptung des AS eines wirtschaftlichen Interesses reiche zur Darlegung des Auftragsinteresses nicht aus. Angesichts der Komplexität der OSS und des Quellcodes sowie angesichts der spezifischen Anpassungen in der Vergangenheit seien zur Plausibilisierung des Auftragsinteresses nähere Darlegungen zur personellen sowie fachlichen Kompetenz des AS bzw. eines Partnerunternehmens erforderlich gewesen.

Die Frage, ob die Direktbeauftragung und der Wettbewerbsverzicht zulässig waren, ließ das OLG Düsseldorf mangels Entscheidungserheblichkeit offen.

Praxistipp

Einmal beschaffte Software oder IT-Infrastruktur muss nach Auslaufen von Wartungsverträgen nicht zwingend ausgetauscht werden. Öffentliche Auftraggeber dürfen grundsätzlich „Systementscheidungen“ treffen, die über längere Zeit Bestand haben können. Derartige strategische Überlegungen sollten durchaus häufiger Eingang in die Beschaffungspraxis finden, gerade bei IT-Vergaben.

Bietern kann je nach Einzelfall abverlangt werden, ihr Auftragsinteresse zu plausibilisieren. Die OLG-Entscheidung ist jedoch kein Anlass für ein generelles Misstrauensvotum gegenüber Leistungsversprechen auf Bieterseite. Die Darlegungslast hängt stets vom Beschaffungsgegenstand sowie von dessen Komplexität ab. Andere Vergabenachprüfungsinstanzen hätten mit Blick auf den auf eine OSS bezogenen Wartungsvertrag möglicherweise geringere Anforderungen an die Darlegung des Auftragsinteresses gestellt. Denn ein offener Quellcode ermöglicht (zumindest theoretisch) jeglichen Dritten die Erbringung von Support- und Weiterentwicklungsleistungen.

Vorsicht geboten ist bei Direktbeauftragungen unter Ausschluss jeglichen Wettbewerbs. Weder die VK Bund in erster Instanz noch das OLG Düsseldorf hat insoweit in der Sache entschieden. Mit Blick auf den offen verfügbaren Quellcode dürfte sich ein technischer Ausschluss von Wettbewerb aber kaum begründen lassen.

Maßgebliche Entscheidung: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.08.2022 – Verg 53/21

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