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Entfällt das Schriftformerfordernis im Gewerbemietrecht?

Fachbeiträge
Entfällt das Schriftformerfordernis im Gewerbemietrecht?

Das Bundesministerium der Justiz („BMJ“) hat am 11. Januar 2024 den Referentenentwurf eines Vierten Bürokratieentlastungsgesetzes („BEG IV“) veröffentlicht. Im Rahmen des Ausbaus der Digitalisierung im Rechtswesen sieht der Referentenentwurf unter anderem die Aufhebung oder Abmilderung gesetzlicher Formerfordernisse im Rechtsverkehr vor. So soll künftig auch das für Gewerbemietverträge geltende Schriftformerfordernis ersatzlos gestrichen werden.

Status quo: Schriftformerfordernis für langfristige Gewerbemietverträge

Derzeit ist gesetzlich geregelt, dass Gewerbemietverhältnisse mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr in Schriftform geschlossen werden müssen. Für die Einhaltung der Schriftform ist es erforderlich, dass alle wesentlichen Vertragsbestandteile des Mietvertrags schriftlich und mit den tatsächlichen Verhältnissen übereinstimmend in der Vertragsdokumentation, bestehend aus dem Mietvertrag und etwaigen Nachträgen, wiedergegeben werden. Die wesentlichen Bestandteile des Mietvertrags müssen dort zumindest bestimmbar geregelt sein. Die erforderliche Schriftform bei langfristigen Mietverhältnissen soll insbesondere Immobilienerwerber schützen, die kraft Gesetz in ein bestehendes Mietverhältnis eintreten und sich aus der Vertragsdokumentation Kenntnis über die wesentlichen Inhalte des Mietverhältnisses verschaffen können müssen. Wird ein Mietvertrag mit vereinbarter Festlaufzeit von mehr als einen Jahr nicht schriftformgerecht geschlossen oder werden wesentliche Bestandteile des Mietvertrags anders gelebt als schriftlich in der Vertragsdokumentation vereinbart, so gilt das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit geschlossen. Jede Vertragspartei kann den Mietvertrag dann mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartal vorzeitig kündigen.

Das Schriftformerfordernis war in den letzten Jahren ein Dauerbrenner in der gewerbemietrechtlichen Beratungspraxis. Häufig wurden Formverstöße dazu genutzt, um ein unliebsam gewordenes Mietverhältnis vorzeitig zu beenden oder es wurde ein Kündigungsszenario als Druckmittel zur Durchsetzung vertraglicher Interessen verwendet.

Geplante Änderungen im BEG IV und Begründung des BMJ

Das BEG IV sieht vor, dass der Abschluss, die Änderung, sowie die Aufhebung von Gewerbemietverträgen künftig nicht länger gesetzlichen Formanforderungen unterliegen soll (Artikel 13 Ziffer 7). Für bereits bestehende Mietverhältnisse soll für eine Übergangsfrist von einem Jahr noch die bisherige Rechtslage gelten (Artikel 14 Ziffer 1). Sofern bereits bestehende Mietverhältnisse nach Inkrafttreten des BEG-IV geändert werden, soll mit Abschluss des entsprechenden Nachtrags die neue Rechtslage auf das gesamte Mietverhältnis anwendbar sein.

Mit der geplanten Gesetzesänderung will das BMJ insbesondere Schriftformkündigungen bei unliebsam gewordenen Zeitmietverträgen entgegenwirken. Erwerber von Gewerbeimmobilien seien auch ohne das Schriftformerfordernis ausreichend geschützt, weil davon auszugehen sei, dass die meisten langfristigen Mietverträge auch zukünftig schriftlich oder in Textform abgefasst werden. Bei größeren Immobilientransaktionen würden Erwerber ohnehin eine Due Diligence-Prüfung über die Immobilie und deren Mietverträge durchführen. Gegen unbekannte nachteilige Vereinbarungen zu den zu übernehmenden Mietverträgen könnten sich Erwerber durch entsprechende Garantien und Gewährleistungen im Immobilienkaufvertrag auskömmlich absichern. Auch Schadensersatzforderungen an den Veräußerer seien möglich.

Bewertung und Fazit

Der Referentenentwurf des BMJ ist nicht der erste Vorschlag zu einer Reform des Schriftformerfordernisses im Gewerbemietrecht. Es bleibt zunächst abzuwarten, inwieweit dessen Inhalt tatsächlich umgesetzt wird. Zumindest die rechtliche Einordnung des BMJ zur geplanten Streichung des Schriftformerfordernisses überzeugt aus Praxissicht nicht. Auf den ersten Blick bringt der Wegfall der Schriftformkündigung zwar mehr Rechtssicherheit für die Vertragsparteien in Bezug auf die Festlaufzeit eines Mietvertrags mit sich. Jedoch wird es in vielen Immobilientransaktionen nur schwer möglich sein, Garantien und Gewährleistungen zu Vereinbarungen der zu übernehmenden Mietverträge durchzusetzen. Gleiches gilt für die Durchsetzung von Schadensersatzforderungen gegen den Veräußerer. Die unterstellten Formabreden unterliegen ferner Wirksamkeitsbedenken. Auch durch eine sorgfältige Due Diligence-Prüfung lassen sich per E-Mail oder WhatsApp getroffene Abreden zu Inhalten des Mietverhältnisses mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht abschließend ermitteln. Für einer Reform des Schriftformerfordernisses bei Gewerbemietverträgen wäre vielmehr empfehlenswert, eine Schriftformkündigung – ggf. zeitlich befristet – nur dem Erwerber einer vermieteten Immobilie zu ermöglichen. Diesen Vorschlag enthielt auch ein kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie Ende 2019 durch den Bundesrat veröffentlichter Gesetzesentwurf. Zum weiteren Ausbau der Digitalisierung auch im mietvertraglichen Rechtsverkehr könnte die Verwendung der qualifizierten elektronischen Signatur gestärkt werden.

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