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Einer für alle? Entgeltgleichheit von Männern und Frauen

Fachbeiträge
Einer für alle? Entgeltgleichheit von Männern und Frauen

Begründet der Verhandlungserfolg eines männlichen Bewerbers Ansprüche vergleichbarer Arbeitnehmerinnen auf gleich hohen Lohn? „Ja“ sagt das Bundesarbeitsgericht, denn die Bevorzugung des männlichen Bewerbers lasse eine Benachteiligung der Kolleginnen wegen ihres Geschlechts vermuten. Wenn es dem Arbeitgeber nicht gelinge, diese Vermutung zu widerlegen, sei er verpflichtet, einer ebenso qualifizierten und erfahrenen Mitarbeiterin gleichfalls das höhere Gehalt zu zahlen.

Der Fall – ein strategisch ausgesuchtes Musterverfahren

Der Fall wurde von der „Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V.“, ein auf strategische Prozessführung unter anderem in Diskriminierungsfragen spezialisierter Verein, als Musterverfahren ausgewählt und durch alle Instanzen begleitet.

Ein mittelständisches Metallunternehmen in Sachsen mit ca. 180 Beschäftigten schrieb 2016 eine Stelle im Vertrieb/Außendienst aus, weil die damalige Stelleninhaberin und dienstälteste Vertriebsmitarbeiterin in absehbarer Zeit das Unternehmen verlassen würde. Auf diese Stelle bewarb sich der staatlich geprüfte Techniker P. Das Unternehmen bot P. die Tätigkeit „Mitarbeiter Vertrieb/Außendienst“ an. Für diese Tätigkeit sollte er in der Einarbeitungsphase von Januar bis Oktober 2017 ein monatliches Grundgehalt von EUR 3.500 erhalten; ab November 2017 sollte dann eine umsatzabhängige Entgeltkomponente hinzukommen. P. war das für die Einarbeitungsphase angebotene Grundgehalt zu niedrig und verlangte EUR 4.500. Dieser Forderung stimmte das Unternehmen zu. Wie vereinbart, zahlte es dem Arbeitnehmer in der Zeit von Januar bis Oktober 2017 ein Grundgehalt von EUR 4.500 und ab November 2017 ein Grundgehalt von EUR 3.500 zuzüglich der umsatzabhängigen Entgeltkomponente.

Im Dezember 2016 schrieb das Unternehmen eine weitere Stelle im Vertrieb/Außendienst aus, auf die sich die über einen Abschluss als Diplomkauffrau verfügende spätere Klägerin bewarb. Das Unternehmen bot ihr die Tätigkeit „Mitarbeiterin Vertrieb/Außendienst“ gegen ein monatliches Grundgehalt in der Zeit von März bis Oktober 2017 in Höhe von EUR 3.500 an. Ab November sollte dann – wie beim Mitarbeiter P. – die umsatzabhängige Entgeltkomponente hinzukommen. Die Klägerin akzeptierte diesen Vorschlag und wurde von März bis Oktober 2017 zu einem Grundgehalt von EUR 3.500 beschäftigt. Ab November 2017 kam die umsatzabhängige Entgeltkomponente hinzu.

Im Jahr 2019 erhob die Mitarbeiterin Klage auf Zahlung der Gehaltsdifferenz im Verhältnis zum Kollegen P. bzw. EUR 1.000 pro Monat für den Zeitraum März bis Oktober 2017. Zusätzlich forderte sie eine Entschädigung wegen geschlechtsspezifischer Diskriminierung.

Die Entscheidung – Grenzen freier Gehaltsverhandlungen

Das Arbeitsgericht Dresden und in zweiter Instanz das Landesarbeitgericht Sachsen wiesen die Klage ab. Zwar hätten die Klägerin und ihr männlicher Kollege P. im relevanten Zeitraum gleichwertige Tätigkeiten ausgeübt. Die höhere Bezahlung des P. sei jedoch durch objektive Faktoren begründet, die nichts mit einer Diskriminierung wegen des Geschlechts zu tun hätten. Die Vereinbarung des höheren Grundgehalts sei erforderlich gewesen, um P. für das Unternehmen zu gewinnen und noch bis zum Ausscheiden der dienstältesten Vertriebsmitarbeiterin einarbeiten zu können.

Anders die Bundesarbeitsrichter in Erfurt: Der Umstand, dass die Klägerin für die gleiche Arbeit ein niedrigeres Grundentgelt erhalten habe als ihr männlicher Arbeitskollege, begründe nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) die Vermutung einer Benachteiligung wegen des Geschlechts. Um diese Vermutung zu widerlegen, müsse der Arbeitgeber im Prozess objektive Faktoren vortragen und ggf. beweisen, aus denen sich ergäbe, dass ausschließlich andere Gründe als das Geschlecht zu der ungünstigeren Behandlung geführt hätten. Diese hohe Hürde hat das Unternehmen nicht genommen. Vor allem genügte es nicht, auf die höhere Gehaltsforderung des Mannes und seinen Verhandlungserfolg zu verweisen. Da bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit eine Benachteiligung wegen des Geschlechts im Hinblick auf sämtliche Entgeltbestandteile verboten ist (Art. 157 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und §§ 3 und 7 Entgelttransparenzgesetz), steht der benachteiligten Frau die Nachzahlung der gleichheitswidrig vorenthaltenen Vergütung zu. Zusätzlich hat der Arbeitgeber noch eine Entschädigung verwirkt (§ 15 Abs. 2 AGG).

Fazit

Das Sprichwort „Jeder ist seines Glückes Schmied“ gilt bei Gehaltsvereinbarungen nicht. Arbeitgeber, die Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Tätigkeit unterschiedlich vergüten, müssen vermehrt mit Lohngleichheitsklagen rechnen. Wenn sie dann im Prozess versuchen, die Vermutung für eine Diskriminierung wegen des Geschlechts zu widerlegen, werden sie mit hohen Anforderungen an ihre Darlegungs- und Beweislast konfrontiert. Darauf ist schon im Einstellungsverfahren zu achten. Wenn Unterschiede überhaupt gemacht werden, sollten die objektiven Gründe hierfür gut dokumentiert werden.

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