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Die EU-Lieferketten-Richtlinie geht in die nächste Runde

Die EU-Lieferketten-Richtlinie geht in die nächste Runde

Das Europäische Parlament hat sich am 1. Juni 2023 zu den Vorschlägen für eine EU-Lieferketten-Richtlinie der Europäischen Kommission und des Rats der Europäischen Union positioniert. Laut Parlament sollen deutlich mehr Unternehmen unter die Richtlinie fallen als bisher vorgeschlagen. Nennenswerte Entschärfungen sieht die Stellungnahme des Parlaments dagegen nicht vor. Damit wird die geplante EU-Lieferketten-Richtlinie mit hoher Wahrscheinlichkeit weit über das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) hinausgehen.
 

Größerer Anwendungsbereich

Nach den Vorschlägen des Parlaments sollen sämtliche Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten und einem weltweiten Nettoumsatz von über 40 Millionen Euro in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen. Dies gilt unabhängig vom Sektor, in dem das Unternehmen seinen Umsatz erwirtschaftet. Muttergesellschaften, die diesen Schwellenwert nicht erreichen, können möglicherweise über einen Auffangtatbestand von der Richtlinie erfasst sein.

Kommission und Rat dagegen sehen Unternehmen in vorstehender Größe nur im Anwendungsbereich der Richtlinie, wenn sie mindestens 50 % ihres Umsatzes in einem Risikosektor erwirtschaften. Dazu zählen etwa die Textilindustrie, die Land- und Forstwirtschaft und die Gewinnung mineralischer Ressourcen. Eine sektorenunabhängige Anwendbarkeit der Richtlinie soll es „nur“ für Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten und einem weltweiten Nettoumsatz von über 150 Millionen Euro geben.

Setzt sich das Parlament gegen die Kommission und den Rat durch, führt dies zu einer erheblichen Ausweitung des Anwendungsbereichs und hätte Auswirkungen auf zahlreiche zuvor nicht betroffene Unternehmen.

Zum Vergleich: Das deutsche LkSG ist derzeit lediglich auf Unternehmen mit mindestens 3.000 Beschäftigten und ab dem 1. Januar 2024 mit mindestens 1.000 Beschäftigten anwendbar.
 

Zivilrechtliche Haftung

Das deutsche LkSG sieht gegenwärtig keine zivilrechtliche Haftung für Verstöße gegen das LkSG vor. Im Unterschied dazu haben sich die Kommission, der Rat sowie das Parlament für eine zivilrechtliche Haftung bei Verstößen gegen die Richtlinie ausgesprochen. Das Parlament schlägt darüber hinaus eine (weitere) Verschärfung vor, nämlich dass die Verjährung für die Erhebung von Schadensersatzklagen mindestens zehn Jahre beträgt. Neu ist auch der vom Parlament geforderte zivilrechtliche Unterlassungsanspruch gegen die verletzenden Unternehmen.
 

Konkrete (Mindest-)Sanktionen

Das Parlament fasst die auch von Kommission und Rat vorgesehenen Sanktionen in seinen Änderungsvorschlägen zu einem Sanktionskatalog zusammen. Dieser beinhaltet im Wesentlichen

  • finanzielle Sanktionen,
  • die öffentliche Kundgabe des Verstoßes unter Nennung des verantwortlichen Unternehmens,
  • eine Pflicht zur Einstellung des Verstoßes und
  • den Ausschluss von Produkten aus dem freien Verkehr oder vom Export.

Das Parlament betont, dass es sich dabei um Mindestsanktionen handelt. Damit bleibt es den Mitgliedstaaten überlassen, darüber hinausgehende Sanktionen vorzusehen.
 

Wie geht es mit der EU-Lieferketten-Richtlinie weiter?

Die Verhandlungen über den Inhalt der Richtlinie zwischen den beteiligten Unionsorganen sollen im Sommer diesen Jahres beginnen. Ein genauer Zeitpunkt für eine endgültige Entscheidung über die Richtlinie und deren Verabschiedung ist noch nicht absehbar.

Es ist damit zu rechnen, dass die Inhalte der Richtlinie insbesondere im Anwendungsbereich und bei der zivilrechtlichen Haftung über das deutsche LkSG hinausgehen werden. Die Einzelheiten bleiben abzuwarten.

Die Richtlinie hat keine unmittelbare Wirkung für deutsche Unternehmen. Sie muss erst vom deutschen Gesetzgeber umgesetzt werden. In Deutschland erfolgt dies durch eine Änderung des LkSG. Die Umsetzungsfrist beträgt in der Regel zwei Jahre. Bleibt es dabei, dass die Richtlinie Mindestanforderungen aufstellt, kann der Gesetzgeber auch strengere Vorschriften erlassen.
 

Fazit

Die geplanten Neuerungen betreffen nicht nur ein größeres Spektrum an Unternehmen als bisher, sondern bergen zugleich größere Haftungsrisiken. Daher ist auch Unternehmen, die gegenwärtig nicht vom LkSG betroffen sind, zu raten, sich über die Entwicklungen der EU-Lieferketten-Richtlinie auf dem Laufenden zu halten. Sobald sich eine finale Entscheidung abzeichnet, sollte ein Unternehmen prüfen, ob es unter die neuen Regelungen fällt. Ist das der Fall, sollte rechtzeitig mit der Implementierung der Sorgfaltspflichten im Unternehmen begonnen werden, um Haftungsrisiken und Imageverluste zu vermeiden. Bereits vom LkSG betroffene Unternehmen sollten prüfen, ob anlässlich der neuen Regelungen ein Anpassungsbedarf ihrer bisherigen Umsetzung der Sorgfaltspflichten besteht.

Autoren: Dr. Carolin Reichert und Raphael Pfleghar

 

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