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Der Zugang des Zuschlagsschreibens führt stets zum Vertragsschluss. Oder doch nicht?

Öffentliche Hand
Der Zugang des Zuschlagsschreibens führt stets zum Vertragsschluss. Oder doch nicht?

Ein formelles Vergabeverfahren ist grundsätzlich dann beendet, wenn das Zuschlagsschreiben dem künftigen Auftragnehmer zugeht. Obwohl die Zuschlagserteilung an sich, die kleinste Schwierigkeit für Vergabestellen darstellt, können auch hier noch Vergabeverstöße begangen werden. Die Entscheidung des OLG Naumburg (Beschl. v. 11.10.2024 – 6 Verg 2/24) offenbart, wie ein Zuschlagsschreiben (nicht) auszusehen hat.

Sachverhalt

Gegenstand der sofortigen Beschwerde vor dem OLG Naumburg war die Vergabe von Rahmenvereinbarungen über Ingenieurleistungen. Die Leistungen waren in drei Lose gegliedert, wobei die Vergabestelle beabsichtigte, die Rahmenvereinbarung jeweils mit mehreren Planungsbüros abzuschließen. In den Vorabinformationsschreiben an die Zuschlagsprätendenten (Bieter A und B) wurde nicht offengelegt, dass der Zuschlag an mehrere Unternehmen erfolgen soll. 

Nach Ablauf der 10-tägigen Stillhaltefrist erhielten Bieter A und B jeweils ein Zuschlagsschreiben unter Beifügung einer finalen Fassung der Rahmenvereinbarung mit mehreren inhaltlichen Änderungen gegenüber dem Vertragsentwurf aus den Vergabeunterlagen. Bieter B – als Bestbieter in allen drei Losen – unterzeichnete das Zuschlagsschreiben und schickte es umgehend zurück an die Vergabestelle. 

Erst auf Nachfrage von Bieter A teilte die Vergabestelle diesem mit, dass der Zuschlag auf die Angebote mehrerer Planungsbüros erteilt wurde. Zudem würden die Einzelaufträge jeweils dem Auftragnehmer mit dem preisgünstigsten Angebot angeboten. Sollte dieser ein Angebot ablehnen, würden ersatzweise die weiteren Auftragnehmer beauftragt.

Bieter A rügte (erfolglos) den Abschluss von – gegenüber den Vergabeunterlagen modifizierten – Rahmenvereinbarungen als intransparente De-facto-Vergabe und unzulässige nachträgliche Änderung der Vergabeunterlagen. Nach Zurückweisung des Nachprüfungsantrags, wandte sich Bieter A im Wege der sofortigen Beschwerde gegen die ablehnende Entscheidung der Vergabekammer. 

Entscheidung

Ohne Erfolg! Das OLG stellte zunächst fest, dass die versandten „modifizierten“ Zuschlagsschreiben noch nicht zum Abschluss der Rahmenvereinbarungen führten. Vielmehr waren die beigefügten Anlagen bei der Auslegung der Zuschlagsschreiben zu berücksichtigen. Die Zuschlagsschreiben galten aufgrund der Modifikationen als Ablehnung und Unterbreitung eines neuen Angebots (= modifizierte Angebotsannahme gemäß § 150 Abs. 2 BGB). Die Rahmenvereinbarung kam danach erst durch Zustimmung von Bieter B (Unterzeichnung und Rückversand) wirksam zustande. 

Obwohl das OLG Verstöße gegen das Nachverhandlungsverbot und unzureichende Bieterinformationsschreiben feststellte, führten diese nach Auffassung des Gerichts nicht zu einer Verschlechterung der Zuschlagschancen für Bieter A. Bieter A konnte zudem nicht darlegen, inwieweit ihm durch die Vergabestöße Schäden zu entstehen drohen. 

Im Übrigen stellte das OLG Naumburg fest:

  • Der Vertragsschluss mit Bieter B stellte keine unzulässige Vertragsänderung nach 
    § 132 GWB dar, da zu diesem Zeitpunkt noch kein Vertrag abgeschlossen war.

  • Bei einer Mehrpartner-Rahmenvereinbarung mit abgestuftem Einzelbeauftragungsverhältnis ist ein zweitplatzierter – aber gleichwohl bezuschlagter – Bieter als erster unterlegener Bieter anzusehen. Daher ist ihm ebenfalls ein Schreiben gemäß § 134 GWB zu übersenden. Denn die Abstufung reduziert seine Chancen auf Einzelaufträge erheblich und stellt insoweit eine wirtschaftliche Benachteiligung dar.

Handlungsempfehlung

Mit einem modifizierten Zuschlagsschreiben können Vergabestellen den Vertragsschluss nicht einseitig herbeiführen, sondern sind auf die Zustimmung des Bieters angewiesen. Zulässig sind allein Klarstellungen und sprachliche Anpassungen beispielsweise im Vertragsdokument.

Sofern die Vergabestelle dennoch nach Ablauf der Angebotsfrist inhaltliche Änderungen an den Vergabeunterlagen oder am Angebot des Bieters vornimmt, liegt ein Verstoß gegen das vergaberechtlich verankerte Nachverhandlungsverbot vor. Im Zweifelsfall kommt mit der Zuschlagserteilung mithin kein Vertrag zustande.

Besondere Sorgfalt ist bei geförderten Projekten geboten. Vergabestellen sollten es nicht darauf anlegen, dass ein Fördermittelgeber eine „modifizierte“ Zuschlagserteilung rückblickend unter die Lupe nimmt. 

Maßgebliche Entscheidung: OLG Naumburg, Beschl. v. 11.10.2024 – 6 Verg 2/24

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