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Corona: Auswirkungen bei Beschaffungen

Öffentliche Hand

Das neuartige Corona-Virus hat Europa und nun auch Deutschland erreicht. Das Virus macht auch vor dem Vergaberecht nicht halt. Sowohl öffentliche Auftraggeber als auch Bieter sollten sich daher auf die nächsten Wochen vorbereiten. Dabei besteht allerdings kein Grund zur Panik. Das Vergaberecht bietet auch in diesen Zeiten angemessenen Reaktionsmöglichkeiten. Dennoch stellen sich in Hinblick auf die „Corona-Krise“ einige Herausforderungen.

 

Laufende Vergabeverfahren

 

Für bereits laufende Vergabeverfahren sollten öffentliche Auftraggeber abwägen, ob sie die Verfahren auch dann weiter führen, wenn ein „Shutdown“ das öffentliche Leben weitestgehend lahmlegt. Sowohl Verwaltungen als auch Bieter sind trotz Home-Office-Lösungen möglicherweise dann nicht mehr in der Lage, die nötigen Schritte im Ausschreibungsverfahren zu unternehmen.

 

In vielen Fällen kann es folglich sinnvoll sein, ein laufendes Verfahren „auszusetzen“. Die dahingehenden Informationen sollten dem Interessentenkreis über die üblichen Kommunikationskanäle – in der Regel via E-Vergabe-Tool - mitgeteilt werden. Zudem sollte im E-Vergabe-Tool die Änderung der Teilnahme- oder Angebotsfrist (z.B. vorübergehend auf „31.12.2020“ setzen) nicht vergessen werden, um das Verfahren nicht versehentlich doch zu beenden.

 

Sofern der Beschaffungsbedarf aufgrund der aktuellen Lage – zumindest auf absehbare Zeit – vollständig entfallen ist, ist zudem auch die Aufhebung des Verfahrens vergaberechtlich möglich.

 

Sofern bereits Angebote vorliegen und der Zuschlag nicht erteilt werden kann, weil beispielsweise erforderliche Gremienentscheidungen nicht getroffen werden, droht häufig die Bindefrist abzulaufen. Doch auch nach Ablauf der Bindefrist kann das bestplatzierte Angebot noch beauftragt werden. Das vorgesehene Unternehmen hat dann allerdings die Möglichkeit, den Vertragsschluss abzulehnen. Es empfiehlt sich daher, von den Bietern rechtzeitig vor Fristablauf die Verlängerung der Bindefrist zu verlangen.

 

Bieterpräsentationen und Verhandlungsgespräche

 

Bisher wurde in der vergaberechtlichen Rechtsprechung vertreten, dass ein Bieter keinen Anspruch auf weitere Beteiligung am Vergabeverfahren hat, wenn er von sich aus einen angesetzten Verhandlungstermin absagt (vgl. VK Südbayern, Beschl. v. 9.9.2014, Z3-3-3194-135-08/14). Diese Rechtsprechung ist auf die momentane Situation sicherlich nicht übertragbar. Verlangt ein Bieter mit Verweis auf „Corona“ die Verschiebung, sollte dem nachgekommen werden. Bereits angesetzte Bieterpräsentationstermine oder Verhandlungsgespräche könnten, sofern technisch möglich, notfalls auch mittels Videokonferenz-Lösungen abgewickelt werden.

 

Sollte derzeit ein Ausschreibungsverfahren laufen, für das ursprünglich ein wertungsrelevanter Präsentationstermin vorgesehen war, könnte auch eine Änderung der Zuschlagskriterien in Betracht gezogen werden. Die konzeptionellen Inhalte eines Angebots könnten dann allein auf Grundlage der Papierfassung bewertet werden.

 

Dringlichkeitsbeschaffungen

 

In besonders gelagerten Fällen können Dringlichkeitsbeschaffungen vorgenommen werden. Hier ist ein gestuftes Vorgehen vorgesehen. Zunächst ist zu prüfen, ob die Beschaffung unter Verkürzung der gesetzlich vorgesehenen Fristen möglich ist. Diese betragen bei europaweiten Vergaben 15 Tage (§ 15 Abs. 3 VgV, § 10a EU VOB/A). Bei nationalen Bauvergaben darf die Frist nicht unter 10 Tagen liegen (§ 10 VOB/A), die UVgO kennt für Liefer- und Dienstleistungen keine festen Vorgaben, sondern verlangt eine angemessene Frist (§ 13 UVgO).

 

Kommt die Durchführung eines regulären Verfahrens auch mit verkürzten Fristen nicht in Betracht, so kann eine Beschaffung aus Gründen der Dringlichkeit ohne förmliches Verfahren als Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb durchgeführt werden. Dies wird derzeit nicht nur für Medizinprodukte in Betracht kommen, sondern beispielsweise auch für die Beauftragung von Dienstleistern, die die Überlastung eigener Kräfte oder beauftragter Dienstleister kompensieren. Auch die Beschaffung von Hard- und Software zur Einrichtung von Home-Office-Arbeitsplätzen könnte unter die Ausnahmeregelung der äußerst dringlichen Gründe fallen. Soweit zeitlich möglich, sollten öffentliche Auftraggeber auch bei diesen Beschaffungen noch Vergleichsangebote einholen. Die Direktbeauftragung eines einzelnen Auftragnehmers bleibt stets die ultima ratio und sollte (zumindest kurz) in einem Vergabevermerk begründet werden. Stets zu prüfen ist hierbei auch die Dauer, für die eine Eilvergabe erfolgen kann. Häufig wird dies als Interimsvergabe nur für einen begrenzten Zeitraum möglich sein. Nach Beendigung der aktuellen Krisensituation müssen Leistungen dann wieder ordnungsgemäß ausgeschrieben werden.

 

Auch die Regelungen zur Änderung bestehender Verträge ermöglichen öffentlichen Auftraggebern Möglichkeiten, flexibel und ohne erneutes Vergabeverfahren zusätzliche Beschaffungen vorzunehmen. Nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 GWB kann das Auftragsvolumen bestehender Verträge und Rahmenvereinbarungen um bis zu 50% (ausgehend vom Preis des ursprünglichen Vertrags) erweitert werden, wenn die Änderung des Vertrags aus Umständen erforderlich wurde, die der öffentliche Auftraggeber im Rahmen der ursprünglichen Vergabe nicht vorhersehen konnte. Zudem darf der Gesamtcharakter des Vertrags nicht geändert werden. Beide Voraussetzungen der vergabefreien Vertragsänderung dürften bei einer bloßen Ausweitung des Vertragsvolumens gegenwärtig gegeben sein.

 

Öffentliches Preisrecht

 

Nicht geläufig sind vielen Auftraggebern die Regelungen des öffentlichen Preisrechts. Die Verordnung PR Nr. 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen (PreisV 30/53) enthält für alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts  – nicht aber für öffentliche Auftraggeber mit zivilrechtlicher Organisationsform – Regelungen zu Preisen für öffentliche Aufträge (außer Bauaufträgen). Hierbei gilt der Vorrang von Marktpreisen. Findet allerdings – wie bei einer Interims- oder Eilvergabe – kein Wettbewerb statt und kann auch sonst kein Marktpreis ermittelt werden, müssen die Preise den Grundsätzen der PreisV 30/53 für die Bildung von Selbstkosten genügen.

 

Bei der Ermittlung dieses Preises ist auf die „angemessenen Kosten des Auftragnehmers“ abzustellen. Zur Ermittlung dieser Kosten sind die „Leitsätze für die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten“ heranzuziehen. Zum Schutz des öffentlichen Auftraggebers vor überhöhten Preisen stellt das Höchstpreisprinzip in § 1 Abs. 3 PreisV 30/53 klar, dass die für öffentliche Aufträge nach der PreisV 30/53 ermittelnden Preise Höchstpreise sind. Sie stellen zugleich eine Preisobergrenze dar, die auch durch vertragliche Vereinbarung nicht überschritten werden dürfen. Ein preisrechtlich zu hoher Preis ist kraft Gesetzes nichtig; der Vertrag gilt als mit dem preisrechtlich zulässigen Preis zustande gekommen.

 

 

 

Fazit

 

Die momentane Lage ist auch rechtlich eine Ausnahmesituation. Öffentliche Auftraggeber haben die Möglichkeit, laufende Verfahren auszusetzen, um sie nach dem hoffentlich zeitnahen Ende der Corona-Krise in geordneten Bahnen fortzuführen. Für sämtliche dringlichen Beschaffungen bietet das Vergaberecht den erforderlichen „Instrumentenkasten“, der auch formlose Direktbeauftragungen ermöglicht.

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