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Bundesgerichtshof berücksichtigt erstmals effektives Compliance-Management-System bei der Bußgeldbemessung

Fachbeiträge

Bislang vertraten die Behörden und Gerichte die Auffassung „Wenn es zu einem Rechtsverstoß im Unternehmen kommt, hat ein Compliance-System offensichtlich nicht funktioniert und bedarf daher auch keiner Berücksichtigung bei der Bußgeldbemessung“. Diese Auffassung scheint der Vergangenheit anzugehören, nachdem der Bundesgerichtshof eine steuerstrafrechtliche Angelegenheit an die Ausgangsinstanz zurückverwiesen hat, da das zuständige Gericht vorhandene Compliance-Maßnahmen nicht hinreichend bei der Bemessung der Bußgeldhöhe berücksichtigt hatte.

Bußgeldbemessung ohne Berücksichtigung von Compliance- Maßnahmen ist fehlerhaft


Die Richter stellten zunächst klar, dass nicht nur die Schuld des ausführenden Täters, sondern auch die Schuld von dessen überwachungspflichtigen Vorgesetzten bei der Festsetzung der Höhe einer Geldbuße zu berücksichtigen sei. Zugleich sei jedoch für die Bemessung der Geldbuße von Bedeutung, inwieweit ein Unternehmen „seiner Pflicht, Rechtsverletzungen aus der Sphäre des Unternehmens zu unterbinden, genügt und ein effizientes Compliance-Management installiert hat, das auf die Vermeidung von Rechtsverstößen ausgelegt sein muss“. Dabei könne es auch eine Rolle spielen, ob das Unternehmen in der Folge eines Strafverfahrens „entsprechende Regelungen optimiert und seine betriebsinternen Abläufe so gestaltet hat, dass vergleichbare Normverletzungen zukünftig jedenfalls deutlich erschwert werden“.

Compliance-Maßnahmen vor und nach einem Rechtsverstoß relevant für Bußgeldhöhe


Der Bundesgerichtshof fordert somit sowohl aus der Gegenwarts- als auch der Zukunftsperspektive, etwaige Compliance-Maßnahmen im Rahmen der Bußgeldbemessung zu Gunsten des Unternehmens zu berücksichtigen. Ein Abschlag bei der Geldbuße kommt demnach zum einen dann in Betracht, wenn bereits im Vorfeld eines Rechtsverstoßes Compliance-Vorkehrungen bestanden und es sich bei dem Rechtsverstoß lediglich um einen „Ausreißer“ handelte. Eine weitergehende Geldbußenreduktion kommt im Übrigen dann in Betracht, wenn „Lücken“ im Compliance- System, die durch einen Rechtsverstoß zu Tage getreten sind, im Anschluss beseitigt werden.

Verallgemeinerung des Urteils für alle Rechtsbereiche naheliegend


Auch wenn sich der konkrete Sachverhalt auf eine Steuerstrafsache bezog, liegt es nahe, dass sich aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein allgemeiner Rechtsgrundsatz für die künftige Bewertung der Schuldfrage in allen Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren mit Unternehmensbezug ergibt. Angesichts des massiv erhöhten Bußgeldrahmens dürfte dies in der Zukunft für Unternehmen vor allem für Verstöße gegen Kartell- und Datenschutzvorgaben relevant werden.

Fazit:


Compliance-Maßnahmen lohnten sich vordergründig finanziell bislang nur, wenn sie zur Vermeidung kostspieliger Rechtsverstöße beitrugen. Künftig führen Compliance-Maßnahmen auch dann zu einer Bußgeldreduktion, wenn es zwar zu einem Rechtsverstoß kam, dieser jedoch nur ein „Ausreißer“ trotz bestehender Compliance-Strukturen war. Das Thema Compliance ist damit endgültig nicht nur in den Unternehmen, sondern auch bei den Gerichten angekommen.

Maßgebliche Entscheidung:

BGH, Urt. v. 09.05.2017 - 1 StR 265/16

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