Kontakt

Ob Sie lieber eine E-Mail senden, zum Telefon greifen oder das gute alte Fax nutzen. Wir freuen uns, von Ihnen zu hören.

Anruf unter
+49 711 86040 00
Fax unter
+49 711 86040 01

Betriebliches Eingliederungsmanagement: Nach dem BEM ist vor dem BEM

Fachbeiträge
Betriebliches Eingliederungsmanagement: Nach dem BEM ist vor dem BEM

Die Durchführung eines „betrieblichen Eingliederungsmanagements“ (BEM) ist vor einer krankheitsbedingten Kündigung durch den Arbeitgeber praktisch unverzichtbar. Aber (wann) muss der Arbeitgeber nach dem BEM auch tatsächlich handeln bzw. (wann) „verfällt“ das BEM? Eine jüngere Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) gibt Klarheit.

 

BEM ist Pflicht

Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, ist der Arbeitgeber nach § 167 Abs. 2 SGB IX verpflichtet, ein BEM durchzuführen. Diese Verpflichtung gilt unabhängig davon, ob der Arbeitgeber eine krankheitsbedingte Kündigung in Betracht zieht oder nicht. Dessen ungeachtet ist die vorherige Durchführung eines BEM nach dem im Kündigungsrecht stets anzuwendenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit obligatorisch, wenn der Arbeitgeber aufgrund der gesundheitlichen Einschränkung des Mitarbeiters das Arbeitsverhältnis kündigt. Mit anderen Worten: Kommt der Arbeitgeber seiner Pflicht zur Durchführung eines BEM nicht oder nicht ordnungsgemäß nach, ist er im Kündigungsschutzprozess darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass auch ein BEM nicht dazu hätte beitragen können, neuerlichen Arbeitsunfähigkeitszeiten entgegenzuwirken und das Arbeitsverhältnis zu erhalten (BAG, Urteil vom 18. November 2021 – 2 AZR 138/21). Das wird in der Regel nicht gelingen.

 

Nach Beendigung des BEM tickt die Uhr

Wenn das BEM durchgeführt wurde und der Arbeitgeber sich zum Ausspruch einer Kündigung entschließt, darf er nicht lange zögern: Nach der Rechtsprechung enthält das Gesetz kein „Mindesthaltbarkeitsdatum“ für ein einmal durchgeführtes BEM. Der Arbeitgeber hat nach § 167 Abs. 2 SGB IX vielmehr grundsätzlich ein neues BEM durchzuführen, wenn der Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres nach Abschluss des BEM erneut länger als sechs Wochen durchgängig oder wiederholt arbeitsunfähig erkrankt, und zwar auch dann, wenn nach dem zuvor durchgeführten BEM noch nicht wieder ein Jahr vergangen ist BAG Urteil vom 18. November 2021 - 2 AZR 138/21. Vor allem bei einer Dauererkrankung des Arbeitnehmers muss sich der Arbeitgeber deshalb darauf einstellen, die Kündigung nach Abschluss des BEM zügig umzusetzen.

 

Und wann ist das BEM beendet?

Aus dem Gesetz selbst ergibt sich nicht, wann ein BEM abgeschlossen ist. Nach der Rechtsprechung ist es jedenfalls dann beendet, wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer einig sind, dass der Klärungsprozess durchgeführt ist oder nicht weiter durchgeführt werden soll.

Dies gilt entsprechend, wenn der Arbeitnehmer für die weitere Durchführung seine Zustimmung nicht erteilt, denn deren Vorliegen ist nach § 167 Abs. 2 SGB IX Voraussetzung für den Klärungsprozess (BAG, Urteil vom 18. November 2021 – 2 AZR 138/21). Wie der Arbeitnehmer von vornherein die Zustimmung zur Durchführung eines BEM nicht erteilen muss, so kann er das BEM jederzeit wieder beenden, und zwar unabhängig davon, wie weit es vorangebracht wurde. Der Arbeitgeber verletzt seine Pflichten aus § 167 Abs. 2 SGB IX dann nicht, wenn er den Prozess angestoßen und ordnungsgemäß informiert hat, der Arbeitnehmer sich auf das BEM aber nicht (mehr) nicht einlässt (vgl. LAG Düsseldorf, Urteil vom 17. Mai 2022 – 14 Sa 825/21). Der Arbeitnehmer, der ein ordnungsgemäß eingeleitetes BEM abbricht, wird im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses nicht geltend machen können, dass das BEM nicht (abschließend) durchgeführt worden sei.

Wenn der Klärungsprozess aus Sicht des Arbeitgebers abgeschlossen ist, sollte er dem Arbeitnehmer vorsorglich unter Fristsetzung abschließend Gelegenheit geben, weitere zielführende (Präventions-)Maßnahmen aufzuzeigen, bevor er das BEM beendet.

Fazit

Die ordnungsgemäße Einleitung, Aufklärung, Durchführung und Beendigung des BEM sowie eine sorgfältige Protokollierung sind unverzichtbar, wenn im Anschluss an das BEM eine krankheitsbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht kommt. Sobald das BEM beendet ist, muss die Kündigung erfolgen, bevor der Arbeitnehmer erneut länger als sechs Wochen durchgängig arbeitsunfähig bleibt oder innerhalb eines Jahres wiederholt arbeitsunfähig erkrankt. Falls vor Ausspruch der Kündigung die Zustimmung des Integrationsamts nach § 168 SGB IX erforderlich ist, dürfte es wohl ausreichen, wenn innerhalb von sechs Wochen das Antragsverfahren eingeleitet ist.

Zurück