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Ausnahmeregelung für Klinikzusammenschlüsse – ein Schritt zu besserer Versorgungsqualität?

Fachbeiträge
Ausnahmeregelung für Klinikzusammenschlüsse – ein Schritt zu besserer Versorgungsqualität?

Im Krankenhausbereich ist die Behandlungsqualität der maßgebliche Wettbewerbsfaktor. Weil die Vergütung in der Regel durch Fallpauschalen bestimmt wird, spielt Preiswettbewerb kaum eine Rolle. Kliniken mit gutem Ruf werden häufiger empfohlen als ihre Wettbewerber, ziehen mehr Patienten an und vertiefen mit steigenden Fallzahlen ihre Routine – ein sich selbst verstärkender Kreislauf, der die Qualität der Leistungen für die Patienten verbessern soll.

Um diesen Qualitätswettbewerb zu sichern, unterlagen Zusammenschlüsse von Kliniken ab einer bestimmten Umsatzschwelle bislang der Fusionskontrolle. Nur wenn keine erhebliche Behinderung des Wettbewerbs zu erwarten war, gab das Bundeskartellamt eine Fusion frei. Verglichen mit anderen Branchen sprach sich das Amt im Krankenhaussektor überproportional häufig gegen einen Zusammenschluss aus. Im Zeitraum von 2003 bis 2024 bezogen sich acht von insgesamt 69 Untersagungen auf geplante Klinikfusionen. Für viele Krankenhäuser, die sich ohnehin in einer angespannten wirtschaftlichen Lage befinden, war das eine unbefriedigende Situation. 

Deshalb schränkte der Gesetzgeber bereits 2021 die Anwendbarkeit der Fusionskontrolle für Kliniken teilweise ein. Mit der Krankenhausreform, sprich dem zum 1. Januar 2025 in Kraft getretenen Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG), ging er noch einen Schritt weiter und führte ein Konsolidierungsfenster ein, in dem Kliniken ohne fusionskontrollrechtliche Prüfung fusionieren können. Ziel ist es, Zusammenschlüsse von Krankenhäusern zu erleichtern, wenn sie nachweislich die Versorgungsqualität für die Patienten verbessern oder jedenfalls sichern und wenn damit gleichzeitig Ressourcen gebündelt werden.

Wenige Monate nach Inkrafttreten der Reform zeigt sich diese Wirkung anhand eines prominenten Falls: Für den Zusammenschluss der Universitätskliniken Heidelberg und Mannheim gab das Gesundheitsministerium Baden-Württemberg am 7. Mai grünes Licht. Die Fusion sei nötig, um größtmögliche Synergien zu erzielen und die Krankenhausversorgung in der Rhein-Neckar-Region insgesamt zu stärken, argumentierte das Ministerium. Im ersten Anlauf im Sommer 2024 hatte das Bundeskartellamt den geplanten Zusammenschluss noch untersagt. Das Amt sah in mehreren Leistungsbereichen, etwa in der Pädiatrie und in Teilen der Spitzenmedizin, das Risiko, dass nach dem Zusammenschluss kaum noch unabhängige Alternativen für die Patienten und die einweisenden Ärzte verblieben. Die Wettbewerbsbehörde erkannte zwar an, dass höhere Fallzahlen und Spezialisierung die Behandlungsqualität steigern können. Gleichwohl kam sie zu dem Schluss, dass sich diese Effekte auch durch Kooperationen erzielen ließen. Zudem sei das Interesse an Wahlfreiheit und Trägervielfalt ausschlaggebend für die Entscheidung gewesen – Träger des Universitätsklinikums Mannheim ist die Stadt, Träger des Universitätsklinikums Heidelberg ist das Land.

Dass das Vorhaben im zweiten Anlauf nun gelingt, ist einer mit dem KHVVG geschaffenen Ausnahmeregelung zu verdanken. Der neue § 187 Absatz 10 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) lässt eine Ausnahme von der klassischen Fusionskontrolle zu, wenn drei Voraussetzungen vorliegen: Es muss erstens zu einer tatsächlichen Zusammenlegung von Klinikstandorten, Fachabteilungen oder Betten kommen; rein gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen genügen nicht. Die für die Krankenhausplanung zuständige Behörde muss zweitens schriftlich bestätigen, dass der Zusammenschluss für eine bessere Versorgung erforderlich ist und keine anderen kartellrechtlichen Vorschriften verletzt. Drittens muss die rechtliche und organisatorische Zusammenführung bis spätestens zum 31. Dezember 2030 abgeschlossen sein. 

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, entfällt die Pflicht, einen Zusammenschluss beim Bundeskartellamt anzumelden. Versagt die zuständige Landesbehörde die Bestätigung, ist die übliche Anmeldung beim Bundeskartellamt noch möglich. Krankenhäuser unterhalb der Umsatzschwellen der Fusionskontrolle waren schon bisher anmeldefrei. Für sie ändert sich nichts.

Unter dem neuen Regime musste die für die baden-württembergischen Kliniken zuständige Landesbehörde lediglich prüfen, ob die geplante Mehrheitsbeteiligung der Heidelberger an der Mannheimer Uniklinik die Krankenhausversorgung im Sinne des KHVVG verbessert. Hierfür sprachen unter anderem die finanzielle Schieflage des Mannheimer Klinikums und die bereits bestehende enge Zusammenarbeit beider Kliniken in der Forschung und Lehre. Die Bedenken des Bundeskartellamts spielten offensichtlich keine Rolle mehr. Der neue Verbund soll zum 1. Januar 2026 die Arbeit aufnehmen.

Die Krankenhausreform lenkt bei Zusammenschlüssen den Blick weg von der reinen Wettbewerbskontrolle hin zu gesundheitspolitischen Zielen. Das KHVVG hat den rechtlichen Rahmen dafür geschaffen, Zusammenschlüsse ohne umfassende Fusionskontrolle zu ermöglichen, solange sie nachweislich einer verbesserten Versorgung der Patienten dienen. Das Gesetz öffnet für Kliniken, die bis Ende 2030 fusionieren wollen, ein Zeitfenster, das die Krankenhauslandschaft in Deutschland nachhaltig verändern wird. Ein spürbarer Konsolidierungsdruck im Krankenhausmarkt ist schon jetzt vorhanden. Inwieweit die neue „Charité am Neckar“ zum Vorbild für weitere Klinikzusammenschlüsse wird, bleibt abzuwarten. Die neue Ausnahmeregelung dürfte jedenfalls langfristige Folgen für die Wahlfreiheit, Qualitätssicherung und regionale Trägervielfalt haben.

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