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Auftraggeber müssen widersprüchliche Angebotsangaben aufklären

Öffentliche Hand
Auftraggeber müssen widersprüchliche Angebotsangaben aufklären

Stellt der Auftraggeber fest, dass ein Bieter in seinem Angebot widersprüchliche Angaben gemacht hat und lässt sich der Widerspruch auch nach Auslegung des Angebots nicht auflösen, hat vor einem Ausschluss des Angebots grundsätzlich eine Aufklärung zu erfolgen. Dem Bieter muss die Gelegenheit eingeräumt werden, die Widersprüchlichkeit auszuräumen. Die Grenze bildet hierbei das Verbot einer nachträglichen Angebotsänderung.

Sachverhalt

Die Antragsgegnerin schrieb mit europaweiter Bekanntmachung Bewachungsleistungen für mehrere Objekte im nichtoffenen Verfahren aus. Nach Abschluss des Teilnahmewettbewerbs wurde unter anderen auch die Antragstellerin zur Abgabe eines Angebots aufgefordert.

Die den ausgewählten Bietern übersandten Vergabeunterlagen sahen vor, dass jede Schicht durch vier Wachposten zuzüglich eines Wachleiters zu besetzen ist – also insgesamt fünf Wachpersonen zum Einsatz kommen sollen.

Im Rahmen des konzeptionellen Angebotsteils war von den Bietern ein auftragsbezogener Musterdienstplan zu erstellen und mit dem Angebot einzureichen. Bei Nichtabgabe oder Unschlüssigkeit eines Konzepts sahen die Vergabeunterlagen den Ausschluss des betreffenden Bieters vor. Der von der Antragstellerin eingereichte Musterdienstplan enthielt die Angabe, dass je Schicht lediglich vier Wachpersonen eingesetzt werden. Aus einer ebenfalls eingereichten, zum Vertrag gehörenden Unterlage ging dagegen hervor, dass die Antragstellerin mit insgesamt fünf Sicherheitsmitarbeitern je Schicht kalkulierte.

Die Antragsgegnerin teilte der Antragstellerin daraufhin mit, dass sie ihr Angebot wegen widersprüchlicher Angaben – wie in den Vergabeunterlagen vorgesehen – ausschließen müsse. Nach erfolgloser Rüge wandte sich die Antragstellerin vor der Vergabekammer des Bundes gegen den Ausschluss ihres Angebots. In ihrem Nachprüfungsantrag führte sie zur Begründung aus, dass die Antragsgegnerin bei Widersprüchlichkeit der Angebotsangaben zunächst hätte aufklären müssen.

Entscheidung

Mit Erfolg! Nach Auffassung der Vergabekammer hätte die Antragsgegnerin das Angebot der Antragstellerin nicht ohne vorherige Aufklärung ausschließen dürfen. Lassen sich voneinander abweichende Angaben im Angebot auch nach Auslegung nicht plausibilisieren, haben Auftraggeber vor einem Ausschluss des fraglichen Angebots die Möglichkeit einer Aufklärung zu prüfen.

Die Vergabekammer arbeitet in ihrer Entscheidung heraus, dass ein Ausschluss der Antragstellerin nur bei einer Änderung der Vergabeunterlagen in Betracht komme, § 31 Abs. 2 Nr. 4 VSVgV. Dies sei zunächst durch Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont zu ermitteln. Lasse sich die Widersprüchlichkeit eines Angebots nach erfolgter Auslegung nicht beseitigen, müsse der Auftraggeber im nächsten Schritt die Möglichkeit einer Aufklärung prüfen, bevor er das Angebot ausschließt. Das dem Auftraggeber dabei grundsätzlich zustehende Aufklärungsermessen reduziere sich in Fällen von – wahrscheinlichen –Eintragungsfehlern regelmäßig auf eine Aufklärungspflicht. Im vorliegenden Fall sei ein Versehen des Bieters bei den Eintragungen im Musterdienstplan wahrscheinlich, sodass das Angebot aufzuklären war.

Ein Ausschluss der Antragstellerin lasse sich auch nicht darauf stützen, dass die Antragsgegnerin laut der Vergabeunterlagen widersprüchliche Angebote per se habe ausschließen wollen. Ein solcher Globalausschluss verstößt nach Ansicht der Vergabekammer gegen den für das Vergabeverfahren zentralen Wettbewerbsgrundsatz.

Fazit

Die Entscheidung bestätigt die Tendenz in der jüngeren vergaberechtlichen Rechtsprechung, dass Angebote, die an einem formalen Mangel leiden, nicht auszuschließen sind, wenn sich der Mangel in vergaberechtskonformer Weise beheben lässt.

Zu Recht: Der Ausschluss vom Vergabeverfahren stellt aus Bietersicht die schärfste Sanktion dar. Vor dessen Ausspruch kommen – im Rahmen des vergaberechtlich zulässigen – mildere Mittel in Betracht, wie hier die Auslegung und anschließende Aufklärung des Angebots. Auftraggeber sollten daher bei Widersprüchlichkeit eines Angebots stets die Möglichkeit einer Aufklärung prüfen, wenn sich der Widerspruch durch Auslegung nicht auflösen lässt. Ist ein Eintragungsfehler des Bieters wahrscheinlich, besteht nach Ansicht der Vergabekammer des Bundes eine Aufklärungspflicht. Dabei ist zu beachten, dass die Aufklärung eines Angebots in keinem Fall zu einer nachträglichen Angebotsänderung führen darf – lediglich eine Klarstellung des Angebotsinhalts ist erlaubt. Deshalb sollten sowohl die Gründe der Aufklärung als auch das Ergebnis umfassend in der Vergabeakte dokumentiert werden.

 

Maßgebliche Entscheidung: VK Bund, Beschl. v. 23.07.2021 – VK 2 - 75/21

 

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