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Auflösen einer Bietergemeinschaft: was dann?

Fachbeiträge

In der Unternehmenswelt sind gesellschaftsrechtliche Veränderungen nichts Außergewöhnliches: Ein Unternehmen wechselt den Eigentümer, Tochterunternehmen werden auf Muttergesellschaften verschmolzen oder ein Gesellschafter scheidet aus einer GbR aus. Das Vergaberecht ist für derartige Umstrukturierungen nur beschränkt gewappnet. Wann die Auswechslung eines Bieters nach Beendigung eines Vergabeverfahrens ohne Pflicht zur Neuausschreibung möglich ist, regelt seit der Vergaberechtsreform im April § 132 Abs. 2 Nr. 4 GWB. Spezielle Regelungen, unter welchen Voraussetzungen Änderungen der Bieteridentität während eines laufenden Vergabeverfahrens möglich sind, bestehen hingegen nicht.

In der deutschen Rechtsprechung wurde in der Vergangenheit vertreten, dass jeder tatsächliche bzw. rechtliche Identitätswechsel eines Bieters zu dessen Ausschluss aus einem laufenden Vergabeverfahren führen muss. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) widerspricht einem solchen Automatismus. Der Entscheidung des EuGH lag eine Konstellation zugrunde, in welcher sich eine Bietergemeinschaft aus zwei Unternehmen infolge der Insolvenz eines der Unternehmen auflöste. Die Vergabestelle führte das Verhandlungsverfahren mit dem noch verbliebenen Einzelunternehmen fort und wollte dieses schließlich beauftragen, was ein Konkurrent als Vergabeverstoß geltend machte.

Der EuGH sah im Vorgehen der Vergabestelle keinen Vergabeverstoß. Der EuGH betonte, dass im Grundsatz „die rechtliche und tatsächliche Identität“ eines Bieters im Vergabeverfahren bestehen bleiben müsse. Diese Anforderungen könnten jedoch abgesenkt werden, „um in einem Verhandlungsverfahren einen angemessenen Wettbewerb“ zu gewährleisten. Voraussetzung ist in jedem Fall, dass das verbleibende Einzelunternehmen die vorgegebenen Eignungsanforderungen auch allein erfüllen kann.

Fazit: Der Wechsel von einer Bietergemeinschaft zu einem Einzelbieter im laufenden Vergabeverfahren führt nicht automatisch zum Ausschluss. Die Entscheidung des EuGH zeigt Ansatzpunkte auf, unter welchen Voraussetzungen Umstrukturierungen möglich sind. Der EuGH erteilt jedoch keinen Freibrief für sämtliche Umstrukturierungen bei einem Bieter bzw. einer Bietergemeinschaft in einem laufenden Vergabeverfahren.

Bieter(-gemeinschaften) sollten auch künftig während eines Vergabeverfahrens möglichst zurückhaltend mit gesellschaftsrechtlichen Änderungen umgehen. Anderenfalls riskieren sie einen Verfahrensausschluss. Vergabestellen sind aufgefordert, Umstrukturierungen bei Bietern bzw. Bietergemeinschaften im Einzelfall auf vergaberechtliche Zulässigkeit zu prüfen.

Maßgebliche Entscheidung: EuGH, Urt. v. 24.05.2016, Rs. C-396/14

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