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Hey Pippi Langstrumpf – Dürfen Kostümhersteller äußerliche Merkmale literarischer Figuren übernehmen?

Fachbeiträge

Ob Fasching, Karneval oder Fasnet – Narren und Jecken stehen alljährlich vor der Frage nach der passenden Kostümierung. Neben Rollen wie Pirat oder Prinzessin sind auch Helden aus Film, Fernsehen und Büchern beliebt. Doch darf ein kommerzieller Anbieter Kostüme vertreiben, die erkennbar an bekannte literarische Figuren angelehnt sind? Auf diese Frage wollte die Inhaberin der Nutzungsrechte der Werke von Astrid Lindgren ein klares Nein hören. Diese wehrte sich gegen die Vermarktung eines Kostüms durch die Einzelhandelskette Penny, das erkennbar an die Figur „Pippi Langstrumpf“ angelehnt war. Der Bundesgerichtshof (BGH) äußerte sich erstmals 2013 zu den damit in Zusammenhang stehenden urheberrechtlichen Fragen und hat sich nunmehr in einem zweiten Urteil mit den wettbewerbsrechtlichen Aspekten auseinandergesetzt.

Urheberrechtlicher Schutz

Der BGH hat entschieden, dass ein fiktiver Charakter durchaus urheberrechtlich schutzfähig sein kann, unabhängig vom konkreten Beziehungsgeflecht und Handlungsrahmen, in den er eingebettet ist. Dafür muss er jedoch durch die Kombination von ausgeprägten Charaktermerkmalen und besonderen äußeren Merkmalen eine unverwechselbare Persönlichkeit aufweisen.

Für die Romanfigur „Pippi Langstrumpf“ hat der BGH Urheberrechtsschutz bejaht. Durch die detaillierte Beschreibung sowohl ihres Äußeren als auch der ihr eigenen Wesenszüge und Lebensumstände habe Astrid Lindgren eine einmalige Figur geschaffen. Für eine urheberrechtsverletzende Übernahme reicht es nach dem BGH allerdings nicht aus, wenn keine Charaktermerkmale, sondern lediglich Haarfarbe, Frisur, Sommersprossen und Kleidungsstil übernommen werden. Diese Elemente prägen nur die äußere Gestalt der Figur. Da sie für sich genommen nicht ausreichen, um der Figur urheberrechtlichen Schutz zu verleihen, ist die Übernahme dieser Merkmale auch keine Urheberrechtsverletzung.

Ergänzender wettbewerblicher Leistungsschutz

Zu der Frage, ob das „Püppi“-Kostüm die Romanfigur „Pippi Langstrumpf“ entgegen den wettbewerbsrechtlichen Vorschriften unlauter nachahmt, hat der BGH entschieden, dass die Nachahmung einer literarischen Figur durch ein Karnevalskostüm grundsätzlich möglich ist. Allerdings ist eine solche Nachahmung nicht ohne weiteres anzunehmen, selbst wenn erkennbar ist, wen das Kostüm darstellen soll.

Die Romanfigur „Pippi Langstrumpf“ hat Haare in der Farbe einer Möhre, die in zwei feste, vom Kopf abstehende Zöpfe geflochten sind. Zum „Püppi“-Kostüm gehört eine rote Perücke mit abstehenden Zöpfen. Pippi Langstrumpf hat Sommersprossen, und auch den Models auf den Werbefotografien für das „Püppi“-Kostüm sind Sommersprossen geschminkt worden. Im Roman trägt Pippi Langstrumpf jedoch ein zu kurzes gelbes Kleid, unter dem eine blaue Hose mit weißen Punkten hervorschaut. Teil des „Püppi“-Kostüms sind hingegen ein kurzes grünes Kleid mit gelber Bauchtasche und ein rot-weiß geringeltes Langarmshirt. Während Pippi Langstrumpf einen geringelten und einen schwarzen langen Strumpf trägt, enthält das „Püppi“-Kostüm zwei gelb-schwarz geringelte lange Strümpfe. Im Gegensatz zu den schwarzen Schuhen der Romanfigur, die genau doppelt so groß sind wie ihre Füße, sind im „Püppi“-Kostüm keine Schuhe enthalten, und die abgebildeten Models tragen ebenfalls keine übermäßig großen schwarzen Schuhe.

Angesichts dieser Unterschiede hat der BGH bereits das Vorliegen einer Nachahmung verneint und auch die wettbewerbsrechtlichen Ansprüche zurückgewiesen.

Maßgebliche Entscheidungen:BGH, Urt. v. 17.07.2013 – I ZR 52/12 – Pippi-Langstrumpf-Kostüm BGH, Urt. v. 19.11.2015 – I ZR 149/14 – Pippi-Langstrumpf-Kostüm II

Fazit: Kostümhersteller dürfen sich an bekannte literarische Figuren anlehnen, wenn deutliche Unterschiede zwischen der äußeren Erscheinung der Figur und dem Kostüm bestehen. Wann eine vorlagegetreue Übernahme aller wesentlichen äußerlichen Merkmale unlauter ist, hat der BGH noch nicht entschieden. Vorsicht ist jedenfalls dann geboten, wenn der Nutzungsrechtsinhaber selbst sehr ähnliche „offizielle“Kostüme vermarktet, da diese ihrerseits wettbewerbsrechtlich geschützt sein können.

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