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Grüne, ESG- und ESG-linked-Finanzierungen

Fachbeiträge
Grüne, ESG- und ESG-linked-Finanzierungen

Für mittelständische Unternehmen erhöht sich der Druck zur Verbesserung der Nachhaltigkeit ihrer Geschäftsmodelle und Produktionsprozesse durch Kunden und Vertragspartner sowie staatliche Maßnahmen. Kreditinstitute und mittelständische Kreditnehmer sind gleichermaßen daran interessiert, besondere „grüne“ bzw. nachhaltige Finanzierungsinstrumente zu nutzen. Viele Geschäftsbanken wollen mittelfristig selbst als Unternehmen CO2-neutral sein und ein nachhaltiges Kreditportfolio vorweisen. Sie erwarten, dass die für Banken verbindlichen Mindestanforderungen für das Risikomanagement (sog. MA-Risk) künftig Vorgaben zum Nachhaltigkeitsrisikomanagement enthalten werden. In einem ersten Schritt hatte die BaFin im Dezember 2019 ein Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken veröffentlicht.  Dieses ist für regulierte Kreditinstitute zwar nicht rechtsverbindlich, enthält jedoch sinnvolle Good-Practice-Ansätze, an denen sich viele Institute orientieren, zumal die BaFin insoweit eine gewisse Erwartungshaltung geäußert hat.

In der Finanzierungspraxis für mittelständische Unternehmen sind neben grünen Schuldscheinen vor allem grüne Darlehen und entsprechende Tranchen in Konsortialkreditverträgen von Interesse. Während das Volumen der weltweit emittierten grünen Unternehmensanleihen von Anfang 2020 bis Ende 2021 relativ stabil ohne großes Wachstum verlief, haben sich die nachhaltigen Darlehen (sustainable loans) in diesem Zeitraum fast verdreifacht.

Gründe für die Aufnahme nachhaltiger Darlehen

Aus Sicht der kreditnehmenden Unternehmen sprechen vielfältige Gründe für die Aufnahme von grünen bzw. nachhaltigen Darlehen.

1) Zunächst kann sich die Aufnahme nachhaltiger Darlehen oder Darlehenstranchen verbunden mit einer entsprechenden Außenkommunikation positiv auf die öffentliche Wahrnehmung des Unternehmens auswirken.

2) Unternehmensinhaber und Investoren sowie Kreditgeber versprechen sich von einem nachhaltigen Geschäftsmodell höhere risikoadjustierte Erträge bzw. einen höheren Unternehmenswert als solchen sowie eine verbesserte Resilienz des Unternehmens gegen Krisen. Dies wiederum kann positive Auswirkungen auf Kreditratings haben und den Zugang zu Finanzierungen erleichtern. Die Erfüllung vertraglich verankerter Nachhaltigkeitskriterien kann sich positiv auf die Kreditvergabebereitschaft der Geschäftsbanken auswirken und dürfte zukünftig aufgrund regulatorischer Veränderungen noch weiter an Bedeutung gewinnen.

3) Die Aufnahme nachhaltiger Darlehen kann die Kreditkosten senken. Denn Kredite an Unternehmen, deren Geschäftsmodell durch politische Entscheidungen zu ESG-Themen wie CO2-Bepreisung oder Verteuerung fossiler Energieträger wesentlich beeinträchtigt werden kann, haben ein erhöhtes Adressenausfallrisiko. Nachhaltige Darlehen(stranchen) sind daher regelmäßig mit einem gewissen (wenn auch vergleichsweise moderaten) Zinsvorteil verbunden. Dies steht im Einklang mit der Empfehlung der BaFin zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken, wonach das Ergebnis der Nachhaltigkeitsrisikoeinstufung in die Gestaltung der Kreditkonditionen einfließen soll.

Arten von ESG-Finanzierungen

Mangels gesetzlicher Regelung besteht ein weiter Spielraum für die Ausgestaltung von ESG-Finanzierungen. In der Praxis mittelständischer Unternehmen spielen vor allem grüne bzw. nachhaltige Darlehen(stranchen) sowie sogenannte Sustainability-linked loans eine Rolle:

  • Grüne Darlehen definieren sich über ihren vertraglich festgelegten spezifischen Verwendungszweck: Die Darlehensmittel dürfen ausschließlich zur (Re-)Finanzierung neuer bzw. bestehender „grüner Projekte“ für umweltschonende, klimaschützende oder ressourcensparende Investitionen verwendet werden. Hier kommen bereits vergleichsweise „einfache“ Investitionen wie die Fuhrparkerweiterung durch elektrisch betriebene Fahrzeuge in Betracht. Neben einer Festlegung konkreter Projekte a priori im Darlehensvertrag ist auch eine abstraktere Ausgestaltung möglich, die dem Darlehensnehmer während der Laufzeit größeren Freiraum belässt. Im letzteren Fall ist aber regelmäßig die Verhandlung und vertragliche Festlegung abstrakter Auswahlkriterien (Eligibilitätskriterien) erforderlich.
  • Nachhaltige Darlehen definieren sich ebenfalls über ihren Verwendungszweck. Sie dürfen jedoch ausschließlich zur (Re-)Finanzierung einer Kombination aus neuen bzw. bestehenden grünen und sozialen Projekten verwendet werden. Eine Sonderkategorie bilden dabei Darlehen, die den Übergang auf ein nachhaltigeres Geschäftsmodell finanzieren bzw. hierfür einen Zinsvorteil gewähren, während die Verwendung der Darlehensvaluta vertraglich nicht strikt auf ein bestimmtes grünes bzw. Nachhaltigkeitsprojekt beschränkt ist.
  • Bei Sustainability-linked bzw. ESG-linked loans enthält der Vertrag keine Beschränkung der Verwendung der Darlehensmittel für ein bestimmtes Nachhaltigkeitsprojekt. Diese Darlehen sind für alle Darlehensnehmer interessant, die ihre Nachhaltigkeitsperformance verbessern möchten. Der zusätzliche Finanzierungsbedarf kann unabhängig von konkreten Projekten gedeckt werden und zur allgemeinen Unternehmensfinanzierung der Gesellschaft oder gesamten Gruppe dienen. Solche Darlehen sollen Unternehmen Anreize bieten, vordefinierte Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Um ein unerwünschtes „Greenwashing“ zu vermeiden, müssen die vertraglich definierten Nachhaltigkeitsziele ambitioniert, mess- und nachprüfbar sein. Die Verzinsung orientiert sich entweder an dem – häufig durch eine externe Rating-Agentur – ermittelten ESG-Rating, das der Kreditnehmer erreichen kann oder am Erreichen bestimmter, im Vertrag ausgehandelter ESG-Kennzahlen. Diese sogenannten ESG-KPIs müssen dann durch (externe) Dritte überprüft und festgestellt werden. Dies macht eine regelmäßige (mindestens jährliche) kreditvertragliche Reportingverpflichtung des Darlehensnehmers notwendig. Je nach Struktur, Komplexität und Zweck der Finanzierung können die Parteien aber auch vereinbaren, dass der Kreditnehmer selbst einen entsprechenden Nachweis erbringen kann. Dies setzt jedoch den Nachweis hinreichender interner Expertise beim Kreditnehmer voraus. Diese Kennzahlen werden regelmäßig aus der ESG-Strategie des kreditnehmenden Unternehmens entwickelt und müssen quantifizierbar sein. Das Erreichen eines ESG-KPIs führt typischerweise zu einer Anpassung der Zinsmarge (sog. Basismarge) nach unten. Ob das Nichterreichen eines ESG-KPIs spiegelbildlich zu einer Zinserhöhung führt, hängt von der gewählten Vertragsgestaltung und -verhandlung ab.

 

Vertragliche Abweichungen zu herkömmlichen Kreditverträgen

Verträge über grüne bzw. nachhaltige Darlehen bzw. solche mit ESG-Link müssen gegenüber „herkömmlichen“ Darlehensverträgen zusätzliche bzw. abweichende Regelungen insbesondere zu folgenden Punkten enthalten:

  • Verwendungszweck
  • Muster für den Nachweis der vertragskonformen Verwendung der Darlehensmittel
  • Zinsregelung bzw. Margenanpassung
  • Informations- und Reportingverpflichtungen (z.B. ESG-Bericht hinsichtlich des Erreichens der Nachhaltigkeitsziele und der ESG-KPIs oder betreffend die erreichten nachhaltigkeitsbezogenen Verbesserungen durch die Verwendung der Darlehensmittel)
  • Regelungen zur Überprüfung der Nachhaltigkeitsziele bei nachhaltigkeitsbezogenen Darlehen (z.B. zu Auswahl und Aufgaben des externen Prüfers bzw. einer ESG-Ratingagentur und der Erstellung und Mindestanforderungen an entsprechende sog. Compliance Certificates). Als Nachhaltigkeitsziele kommen z.B. die Verbesserung von Energieeffizienzklassen der Betriebsgebäude, Reduzierung von Treibhausgasemissionen, Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien und/oder der Recyclingraten in Betracht;
  • Ggf. Verpflichtung zur Abgabe besonderer Bestätigungen und Zusicherungen betreffend die Mittelverwendung, wobei unzutreffende oder fehlende Bestätigungen Kündigungsgründe der Kreditgeber auslösen können. Ob diese Kündigungsgründe allerdings rechtlich durchsetzbar wären, ist ungeklärt und zweifelhaft.

 

Die Green Loan Principles der Loan Market Association und ihre Einbindung in Konsortialkreditverträge

Auch in großvolumige Konsortialkreditvertrage, bei denen mehrere Banken einer Unternehmensgruppe zu einheitlichen Vertragsbedingungen Kredite gewähren, lassen sich grüne bzw. ESG-Tranchen mit verringertem Zinssatz einbauen: So hat die Loan Market Association für den Bereich der syndizierten Kredite im Februar 2021 auf Basis der Green Bond Principles der International Capital Market Association sog. „Green Loan Principles“ veröffentlicht, um nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten zu erleichtern und zu unterstützen.

Typischerweise werden Grüne Darlehenstranchen in Konsortialkreditverträgen bei Einhaltung der vertraglich vereinbarten Vorgaben für das Grüne Darlehen etwas niedriger verzinst als die vergleichbare allgemeine Darlehenstranche; bei Nichteinhaltung der vereinbarten Vorgaben müssen die Kreditnehmer andererseits nicht mit dem scharfen Schwert eines Kündigungsrechts, sondern lediglich mit einer Margenanpassung rechnen.

Fazit

Vor dem Hintergrund sich anbahnender regulatorischer Verschärfungen für Kreditinstitute ist es auch für mittelständische Unternehmen ratsam, nach Möglichkeit „grüne“ Finanzierungsinstrumente in den Finanzierungsmix zu integrieren. Hierzu bieten sich neben grünen Einzeldarlehen und Schuldscheinen insbesondere auch grüne Tranchen in Konsortialkreditverträgen an. Der Nutzen für den Kreditnehmer besteht neben einer günstigeren Zinsgestaltung auch in einem tendenziell erleichterten Kreditzugang sowie einer positiven Öffentlichkeitswahrnehmung des Unternehmens.

 

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