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„Derzeitige Stoffpreisentwicklung“ – Vergabe- und vertragsrechtliche Herausforderungen für Vergabeverfahren

Öffentliche Hand
„Derzeitige Stoffpreisentwicklung“ – Vergabe- und vertragsrechtliche Herausforderungen für Vergabeverfahren

Der Umgang mit unbekannten Preissteigerungen bei den Baustoffen hat bereits in der Coronakrise die Vergabeverfahren und damit auch die Vertragsverhandlungen bestimmt. Aufgrund des Angriffskriegs durch Russland auf die Ukraine und der damit einhergehenden nochmals erheblichen Preissteigerung von Baumaterialen infolge von Materialengpässen muss nach wie vor in den Vergabeverfahren die derzeitige Stoffpreisentwicklung berücksichtigt werden.

Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen hat mit Erlass vom 25. März 2022 bezüglich der Lieferengpässe und Preissteigerungen wichtiger Baumaterialien für bestimmte Produktgruppen wie Stahl, Aluminium, Holz eine Sonderregelung für Bundesbaumaßnahmen getroffen und damit auf die starke Preisentwicklung reagiert. Trotz der mit den Preissteigerungen einhergehenden Unwägbarkeiten sind ausschreibungsreife Gewerke zu vergeben, Planungen fortzusetzen und zur Ausschreibung zu führen. Für diese Fälle ist die Vereinbarung einer Preisgleitklausel vorgesehen. Eine vertraglich vereinbare Stoffpreisgleitklausel ermöglicht die Preisanpassung aufgrund veränderter Materialkosten. Sie kann zur Vermeidung ungewöhnlicher Wagnisse erforderlich und im Hinblick auf günstige Angebotspreise sinnvoll sein. Bis zum Erlass entsprechender Vorgaben auf Landesebene dienen die bundesrechtlichen Bestimmungen auch als Orientierung für Vergaben auf Landes- und Kommunalebene.

Für neu zu startende Bauvergaben stellt sich nun bei sämtlichen Verfahren die Frage, inwiefern die aktuellen Preissteigerungen sinnvoll in dem Vergabeverfahren berücksichtigt werden können, um für den Auftraggeber dennoch ein wirtschaftliches Angebot erzielen zu können.

Hier ist einerseits zu prüfen, ob bereits im Rahmen der Angebotsbewertung bei der preislichen Auswertung die Preisentwicklung berücksichtigt wird.

Andererseits ist in den vom Auftraggeber den Bietern zur Verfügung zu stellenden Vertragsentwürfen bereits eine sinnvolle Ausgestaltung einer Klausel zur Preisentwicklung zu empfehlen. Dies gilt auch und gerade im Verhandlungsverfahren, um mit den Bietern in eine gute Verhandlung eintreten zu können. Denn die Bauwirtschaft drängt derzeit bei fast allen Bauverträgen auf die Vereinbarung einer Preisgleitklausel. Vereinbarung und Ausgestaltung der Preisgleitklausel bilden die zentralen Schwerpunkte der derzeitigen Vertragsverhandlungen. Bedenkt man, dass Bauunternehmen derzeit von ihren Nachunternehmen bzw. Lieferanten häufig nur tagesaktuelle Angebote erhalten, ist dies aufgrund des erheblichen Kalkulationsrisikos für Auftragnehmer nachvollziehbar.

Die erheblichen Preissprünge sollten daher zwischen den Parteien verteilt werden. Ein geeignetes Instrument stellt – wie bereits beschrieben – die Vereinbarung einer Preisgleitklausel dar. Preisgleitklauseln haben sich zwischenzeitlich zur (vorübergehenden) Standardregelung in Bauverträgen mit öffentlichen Auftraggebern herausgebildet.

 

Weitere Informationen

Praxistipp

Bereits vor Beginn des Vergabeverfahrens ist bei der Ausgestaltung der Zuschlagskriterien im Rahmen des Kriteriums Preis zu überlegen, inwiefern die Preisgleitklausel Berücksichtigung findet. Dies kann vor allem sinnvoll sein, um die Aussagekraft des Preises bei der Bewertung der Angebote weiter beizubehalten.

In vielen Ausschreibungsunterlagen sind heutzutage Preisgleitklauseln bereits standardmäßig enthalten. Bei der Wahl des Verhandlungsverfahrens können diese im Rahmen der Vertragsverhandlung für den jeweiligen Einzelfall ausgehandelt werden. Bei der konkreten Ausgestaltung spielt insbesondere auch die Vertragsstruktur eine Rolle.

Derzeit ist öffentlichen Auftraggebern anzuraten, den Umgang mit den extremen Preissteigerungen proaktiv anzusprechen und eine gemeinsame Regelung mit den Bietern zu finden. Denn schließlich liegt weder eine Insolvenz des Bieters und künftigen Auftragnehmers noch ein erheblich einkalkulierter Preispuffer im Sinne eines Risikozuschlags im Interesse des öffentlichen Auftraggebers.

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