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Fit für den Brexit – Update für Gerichts- und Schiedsverfahren

Fachbeiträge

Ein ungeregelter Austritt birgt in verfahrensrechtlicher Hinsicht Rechtsunsicherheit. Diese betrifft in erster Linie staatliche Gerichtsverfahren und Schiedsverfahren.

Gerichtsverfahren

In Bezug auf Verfahren vor staatlichen Gerichten stellen sich nach einem No-Deal-Brexit eine Vielzahl von Fragen und Problemen. Europaweit vereinheitlichte Regelungen werden nicht mehr anwendbar sein, was einen bedeutsamen Rückschritt bedeutet. Beispielhaft kann angeführt werden, dass zukünftig die Möglichkeit entfällt, geringfügige Forderungen (bis EUR 5000.00) im vereinfachten Verfahren nach der sog. EuBagatellVO geltend zu machen. Auch besteht keine Möglichkeit mehr, eine vorläufige Kontenpfändung über die Europäische Kontenpfändungsverordnung (EuKoPfVO) zu erreichen. Zustellungen und Beweisaufnahmen werden nicht mehr nach der sog. EuZustVO und der sog. EuBVO möglich sein.

 

Darüber hinaus stellt sich vordergründig die Frage, wie zukünftig das zuständige Gericht zu bestimmen sein wird, wenn ein Sachverhalt Verbindungen zum UK aufweist und ob britische Urteile nicht mehr in Deutschland vollstreckbar sind und umgekehrt. Dies wird zurzeit noch durch eine europäische Verordnung beantwortet, die sog. Brüssel Ia-VO (EuGVVO). Nach einem No-Deal-Brexit ist die Perspektive entscheidend:

 

Deutsche Gerichte haben nach einem ungeregelten Austritt die EuGVVO auch dann anzuwenden, wenn der einer Klage zugrundeliegende Sachverhalt einen Bezug zum UK aufweist. Hat jedoch der Beklagte seinen Wohnsitz im UK, nach einem No-Deal-Brexit also in einem Nicht-EU- bzw. Drittstaat, verweist die EuGVVO grundsätzlich (siehe Ausnahmen in Art. 6 Abs. 1 Brüssel Ia-VO) auf die nationalen, hier also deutschen Zuständigkeitsregeln (§§ 12 ff. ZPO). Ein deutsches Gericht würde seine Zuständigkeit in diesen Fällen folglich nach dem deutschen Prozessrecht prüfen.

 

Anders aus der Sicht britischer Gerichte: Nach einem No-Deal-Brexit wäre das UK kein Mitgliedstaat mehr, sodass die EuGVVO nicht mehr anwendbar wäre. Teilweise wird vertreten, dass in diesem Fall das EuGVÜ wieder anwendbar wäre. Hierbei handelt es sich um einen völkerrechtlichen Vertrag aus dem Jahr 1968 und letztlich um einen „Vorläufer“ der EuGVVO. Es bestehen jedoch wesentliche Unterschiede: Insbesondere gewährleistet das EuGVÜ keine unmittelbare Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen aus anderen Staaten. Käme das EuGVÜ wieder zur Anwendung, bedürfte es also zunächst eines weiteren Verfahrens, bevor ein Urteil eines EU-Mitgliedstaates in UK vollstreckbar wäre. Die Anwendbarkeit des EuGVÜ ist aber fraglich, denn hiergegen wird vorgebracht, dass Art. 68 Abs. 1 EuGVVO den ausdrücklichen Hinweis enthält, dass die EuGVVO das EuGVÜ ersetzt. Zudem soll sich die Anwendbarkeit des EuGVÜ auf EU-Mitgliedstaaten beschränken. So oder so wird es ein durch die EuGVVO bislang gesichertes „free movement of judgments“ nach einem No-Deal-Brexit mit UK nicht mehr geben, was einen gewaltigen Rückschritt bedeutet.

 

Rechtssicherheit kann aber – wie bereits zuvor – weiterhin mit Gerichtsstandsvereinbarungen erreicht werden. Mit Wirkung zum 1. April 2019 ist das UK dem sog. Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen vom 30. Juni 2005 (HGÜ) beigetreten, zu dessen Mitgliedern auch die EU selbst zählt. Das HGÜ regelt die Zuständigkeit von Gerichten bei ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarungen in internationalen Zivil- oder Handelssachen und enthält zudem Bestimmungen über die (grundsätzliche) Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen.

Schiedsverfahren

Im Gegensatz zu der Rechtsunsicherheit bei staatlichen Gerichtsverfahren, birgt ein No-Deal-Brexit keine negativen Auswirkungen für Schiedsverfahren. Vielmehr wird ihre Bedeutung für den Geschäftsverkehr zwischen UK und EU-Mitgliedstaaten – insbesondere aufgrund der mit einem No-Deal-Brexit verbundenen Unsicherheiten bei Gerichtsverfahren – mit hoher Wahrscheinlichkeit stark zunehmen.

 

Dies gilt vor allem aufgrund des New Yorker Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche von 1958 (New York Konvention). Hierbei handelt es sich um ein Übereinkommen, das auch nach einem No-Deal-Brexit fortgelten wird und das in über 150 Staaten die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen aus jeweils anderen Mitgliedstaaten sicherstellt. Schiedssprüche aus Deutschland können daher auch nach einem No-Deal-Brexit in UK vollstreckt werden.

Abzuwarten bleibt, ob nach einem No-Deal-Brexit die sog. anti-suit injunctions, englischer Gerichte wiederaufleben und den Schiedsort UK durch die Möglichkeit solcher Interventionen stärken. Hierbei handelt es sich um Verfügungen britischer Gerichte, mit denen Gerichtsverfahren in anderen EU-Staaten unterbunden werden sollen, um die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts durchzusetzen bzw. zu sichern. Solchen Verfügungen hatte der EuGH in dem sog. West Tankers-Urteil innerhalb der EU eine Absage erteilt.

 

Bereits ohne den befürchteten No-Deal-Brexit bieten Schiedsverfahren gerade bei internationalen Streitigkeiten eine Vielzahl an Vorteilen. Und gerade mit Blick auf den ungeregelten Austritt von UK bieten Schiedsklauseln Rechtssicherheit in Bezug auf die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in UK. Laufende und zukünftig abzuschließende Verträge sollten daher entsprechend angepasst werden.

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