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Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie in Vertragsbeziehungen

Fachbeiträge

Das Coronavirus hat massive Auswirkungen auf Vertragsbeziehungen aller Art. Insbesondere in der Lieferkette sind Unternehmen auf allen Ebenen betroffen, wenn Ware nicht mehr produziert und geliefert oder nicht mehr abgenommen werden kann. Das Recht hält bisher schon eine Vielzahl an Instrumentarien bereit, mit denen Schuldner und Gläubiger einer Vertragsbeziehung den Auswirkungen des Coronavirus begegnen können. Mit dem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (COVID-19-Gesetz) vom 25. März 2020 führt der Gesetzgeber nunmehr ein besonderes Leistungsverweigerungsrecht ein. Dieser Ausnahmetatbestand ist jedoch nur eingeschränkt anwendbar.

 

 

 

Leistungsverweigerungsrecht für Verbraucher und Kleinstunternehmen bei Dauerschuldverhältnissen

 

Mit dem COVID-19-Gesetz soll im Bereich des allgemeinen Vertragsrechts gewährleistet werden, dass Verbraucher und Kleinstunternehmen insbesondere nicht von Leistungen der Grundversorgung (Strom, Gas, Telekommunikation, etc.) abgeschnitten werden, weil sie ihren Zahlungspflichten krisenbedingt nicht nachkommen können. Der Gesetzgeber führt hierzu in Artikel 240 § 1 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB) ein Leistungsverweigerungsrecht ein. Während ein früherer Gesetzesentwurf noch ein solches Recht für alle Schuldner – insbesondere also auch Unternehmen jedweder Größe – vorsah, gewährt das nun beschlossene Gesetz ein solches Recht nur noch Verbrauchern sowie Kleinstunternehmen. Zudem besteht ein Leistungsverweigerungsrecht nur dann, wenn der zu erfüllende Anspruch im Zusammenhang mit einem (Verbraucher-)Vertrag steht, der ein wesentliches Dauerschuldverhältnis ist.

 

Unternehmen können anhand folgender Fragen ermitteln, ob der eng begrenzte Anwendungsbereich des Leistungsverweigerungsrechts für sie überhaupt eröffnet ist:

 

Ist der Schuldner ein Kleinstunternehmen?

 

Für die Definition von Kleinstunternehmen verweist das COVID-19-Gesetz auf die Empfehlung der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (2003/361/EG). Danach handelt es sich um ein Kleinstunternehmen, wenn dieses weniger als 10 Personen beschäftigt und der Jahresumsatz EUR 2 Mio. nicht überschreitet.Insbesondere mittelständische Unternehmen werden damit vom Anwendungsbereich ausgeschlossen. Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hatte hieran bereits in einem Präsidentenschreiben vom 24. März 2020 gegenüber dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz deutliche Kritik geübt.

 

Steht der zu erfüllende Anspruch im Zusammenhang mit einem wesentlichen Dauerschuldverhältnis, das vor dem 8. März 2020 geschlossen wurde?

 

Der zu erfüllende Anspruch muss im Zusammenhang mit einem wesentlichen Dauerschuldverhältnis stehen. Ausdrücklich ausgenommen sind Miet- und Pachtverträge sowie arbeitsrechtliche Ansprüche.Der Begriff des Dauerschuldverhältnisses ist gesetzlich nicht definiert. Insbesondere im unternehmerischen Rechtsverkehr bestehen hier teilweise Abgrenzungsschwierigkeiten. So zählen typische Raten- oder Teillieferungsverträge gerade nicht zu den Dauerschuldverhältnissen, wohl aber sog. Sukzessivleistungsverträge, also Dauerlieferungs- oder Bezugsverträge. Maßgeblich ist stets, ob der endgültige Lieferumfang bereits bei Vertragsabschluss feststeht oder sich erst über die Vertragslaufzeit bestimmen lässt. Verpflichtet sich beispielsweise der Hersteller im Rahmen eines Zulieferervertrags zu ständiger Leistungsbereitschaft, wie dies bei just-in-time-Produktionen üblich ist, so handelt es sich in der Regel um ein Dauerschuldverhältnis. Verpflichtet sich der Hersteller oder Händler jedoch lediglich dazu, eine bereits bei Vertragsschluss konkretisierte Warenmenge in (regelmäßigen) Tranchen zu liefern, so liegt gerade kein Dauerschuldverhältnis vor. Somit ist stets im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob ein Dauerschuldverhältnis vorliegt oder nicht. Als wesentlich sollen nach dem COVID-19-Gesetz nur solche Dauerschuldverhältnisse gelten, die zur Eindeckung mit Leistungen zur angemessenen Fortsetzung des Erwerbsbetriebs erforderlich sind. Dazu zählen laut Gesetzesbegründung beispielsweise Pflichtversicherungen, Verträge über die Lieferung von Strom und Gas oder über Telekommunikationsdienste.

 

Ist der Anwendungsbereich des Leistungsverweigerungsrechts eröffnet, so muss das Unternehmen dieses einredeweise geltend machen. Es muss sich also ausdrücklich hierauf berufen und darlegen – und gegebenenfalls auch beweisen –, dass es die Leistung wegen der COVID-19-Pandemie nicht oder nicht ohne Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlagen des eigenen Erwerbsbetriebs erbringen kann. Der Schuldner kann sich jedoch dann nicht auf das Leistungsverweigerungsrecht berufen, wenn die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts für den Gläubiger unzumutbar ist, da die Nichterbringung der Leistung zu einer Gefährdung seines angemessenen Lebensunterhalts oder des angemessenen Lebensunterhalts seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen oder der wirtschaftlichen Grundlagen seines Gewerbebetriebs führen würde (in diesem Fall steht dem Schuldner das Recht zur Kündigung zu). Ist dies jedoch nicht der Fall, so hindert das Leistungsverweigerungsrecht die Vollstreckbarkeit der vereinbarten Leistung und damit zugleich die Entstehung von Sekundäransprüchen. Der Schuldner der jeweiligen Leistung gerät folglich insbesondere nicht in Verzug bzw. die Voraussetzungen eines bereits eingetretenen Verzugs entfallen mit Ausübung des Rechts. Das Leistungsverweigerungsrecht schützt den Schuldner damit insbesondere bei Zahlungsansprüchen und damit einhergehenden Verzugszinsen, für die er grundsätzlich auch unverschuldet (also auch trotz der COVID-19-Pandemie) einzustehen hätte („Geld hat man zu haben“). Das Leistungsverweigerungsrecht steht dem Schuldner nur solange zu, wie er wegen der COVID-19-Pandemie an der Erbringung der Leistung gehindert ist und – zunächst – maximal bis zum 30. Juni 2020. Danach muss die geschuldete Leistung erfüllt werden.

 

 

 

Fazit

 

Das im COVID-19-Gesetz vorgesehene Leistungsverweigerungsrecht hat nur einen begrenzten Anwendungsbereich. Es kommt insbesondere nicht mittelständischen Unternehmen zugute. Diese sind daher vom Gesetzgeber auf die übrigen rechtlichen Instrumente verwiesen, typischerweise also Höhere Gewalt, Unmöglichkeit gemäß § 275 BGB oder die Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB (>> Das Coronavirus in der Lieferbeziehung: Was tun?). Unternehmen sollten daher in der Regel nicht auf das neue Leistungsverweigerungsrecht vertrauen, sondern umfassende Vorkehrungen treffen und im Einzelfall prüfen, welche weiteren Rechte ihnen zur Verfügung stehen. Hierbei hilft die taskforce@menoldbezler.de.

 

 

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