Kontakt

Ob Sie lieber eine E-Mail senden, zum Telefon greifen oder das gute alte Fax nutzen. Wir freuen uns, von Ihnen zu hören.

Anruf unter
+49 711 86040 00
Fax unter
+49 711 86040 01

Kein Bauprojekt ohne Preisgleitklausel?

Öffentliche Hand
Kein Bauprojekt ohne Preisgleitklausel?

Wann sind Preisgleitklauseln zwingend? Wann sind sie sinnvoll? Und welche Gestaltungsoptionen gibt es?

Die Vergabekammer Westfalen sieht in einer aktuellen Entscheidung eine fehlende Preisgleitklausel bei Rohbauarbeiten aufgrund der jüngsten Entwicklungen beim Stahlpreis als unkalkulierbares Wagnis an. Die Tendenz in der Rechtsprechung der Vergabekammern verdichtet sich damit weiter: Öffentliche Auftraggeber müssen bei bestimmten Stoffen, deren Marktpreis derzeit einer besonders hohen Schwankung unterliegt, Preisgleitklauseln vorgeben, um den Bietern eine Angebotsabgabe zu ermöglichen.

Zwingende Preisgleitklausel bei stark schwankenden Preisen

Im Ergebnis hält die Vergabekammer Westfalen ebenso wie die Vergabekammer Thüringen in einer Entscheidung im Juni 2022 in bestimmten Konstellationen Bauvergaben ohne Stoffpreisgleitklausel für unzulässig. Gerade dann, wenn in größerem Umfang Materialien verarbeitet werden, die derzeit am Markt großen preislichen Schwankungen unterliegen, erscheint diese Auffassung sachgerecht.

Bietern wird es in solchen Fällen nicht mehr möglich sein, die Preisentwicklungen für den Zeitraum bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zum (noch späteren) Zeitpunkt der Materialbestellung seriös abschätzen zu können.

Öffentliche Auftraggeber sollten das Thema „Stoffpreisgleitklausel“ zumindest bei Bauausschreibungen rechtzeitig auf der Agenda haben, um nicht im laufenden Verfahren (z.B. infolge einer Rüge) kurzfristig damit konfrontiert zu sein. Unabhängig von der teilweise bestehenden vergaberechtlichen Pflicht kann es im Sinne einer wirtschaftlichen Beschaffung häufig sinnvoll sein, allzu große Risiken durch Preisgleitklauseln abzufedern, um auf Bieterseite keine unnötigen Risikozuschläge zu provozieren.

Konkrete Ausgestaltung

Das Formblatt „VHB 225“ des Vergabehandbuchs des Bundes und die entsprechenden Hinweise des Bundes bieten für viele Fälle eine solide Handhabe. Kommunen in Baden-Württemberg sind hieran jedoch nicht gebunden, sodass auch abweichende Regelungen denkbar sind. Teilweise reichen zudem „formularmäßige“ Regelungen im speziellen Einzelfall auch nicht aus, sodass eine passgenauere Regelung gefunden werden muss. Bei sehr vielen betroffenen LV-Positionen wird zudem die Abrechnung mit erheblichem Aufwand verbunden sein.

In jedem Fall müssen Auftraggeber die Parameter für die Bieter einheitlich definieren. Es genügt also nicht, ein leeres Formblatt in die Ausschreibung zu geben, welches durch die Bieter nach Belieben befüllt werden kann. Dies würde zu nicht vergleichbaren Angebotspreisen führen.

In der Praxis stellen sich darüber hinaus weitere relevante Fragen: Welche Stoffe sollten überhaupt von der Preisgleitklausel umfasst werden und welcher ist der „richtige“ Index, an den für die Preisgleitung angeknüpft werden sollte? Bei diesen Fragen haben die Bauunternehmen gegenüber Bauherren und Planern häufig einen Wissensvorsprung und je nach Unternehmensprofil auch unterschiedliche Auffassungen. Auftraggeber sollten gegebenenfalls versuchen, im Vorfeld der Ausschreibung mittels Markterkundung für diese Belange ein Gespür zu entwickeln. Das Sprechen mit den potentiellen Bietern ist (entgegen teilweise verbreiteter Vergaberechtsmythen) nicht verboten!

Preisgleitklausel im Verhandlungsverfahren

Im Verhandlungsverfahren darf mit den Bietern über die konkrete Ausgestaltung der Preisgleitklausel (unter Berücksichtigung von Gleichbehandlungs- und Wettbewerbsgrundsatz) auch gesprochen werden. Dies bietet den Vorteil, dass ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Kalkulations- und Kostensicherheit geschaffen werden kann.

Zurück