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The Climate Case: Können Unternehmen für Folgen des Klimawandels haftbar gemacht werden?
Ein peruanischer Bauer klagt mit Unterstützung der Umweltschutzorganisation Germanwatch gegen einen deutschen Energiekonzern – und verliert. Trotzdem werten Umweltschützer das Verfahren als einen Meilenstein im juristischen Kampf für den Klimaschutz.
Klimaklage gegen RWE – ein Präzedenzfall
Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat am 28. Mai 2025 die Berufung des peruanischen Landwirts Saúl Luciano Lliuya gegen den Energiekonzern RWE zurückgewiesen. Wie schon zuvor das Landgericht Essen sahen die Richter keine hinreichende Grundlage für eine Haftung des Energiekonzerns.
Unterstützt durch Germanwatch hatte Lliuya RWE für potenzielle Schäden durch den Klimawandel in seiner Heimat haftbar machen wollen. Das Schmelzen eines Gletschers in den Anden führte die Klägerseite auf die Emissionen großer Energiekonzerne zurück. Das Überlaufen eines angrenzenden Gletschersees bedrohe das Grundstück des Klägers. Da RWE zum Zeitpunkt der Klage rund 0,47 % der globalen CO₂-Emissionen verursacht habe, müsse das Unternehmen auch anteilig zur Finanzierung von Schutzmaßnahmen beitragen. Dazu gehörten aus Sicht der Klägerseite unter anderem ein geplanter Staudamm sowie bauliche Vorkehrungen am Haus des Klägers.
Das Landgericht Essen wies die Klage in erster Instanz ab. Eine mögliche Gefahr für das Grundstück des Klägers könne nicht klar einem Emittenten – hier RWE – zugerechnet werden. Anfang 2017 ging das Verfahren in die zweite Instanz. 2022 flogen Richter, Parteien und Sachverständige im Rahmen der Beweisaufnahme zu einem Ortstermin nach Peru. Das danach erstellte gerichtliche Sachverständigengutachten ergab, dass die Wahrscheinlichkeit einer akuten Gefahr für das Grundstück des Klägers durch klimabedingte Überschwemmungen in den nächsten 30 Jahren bei gerade einmal einem Prozent liege. Zudem war der Anteil von RWE an den weltweiten CO₂-Emissionen zwischen 2017 und 2022 von 0,47 auf 0,38 % gesunken. Der Kläger passte daraufhin seine Klage entsprechend an.
OLG: Zivilrechtliche Klimahaftung grundsätzlich möglich
Das OLG Hamm stellte in seiner Entscheidung fest, dass Unternehmen grundsätzlich für durch CO₂-Emissionen verursachte Schäden haftbar gemacht werden können. Falls eine Beeinträchtigung drohe, so die Richter in der Urteilsbegründung, könne der Verursacher von CO₂-Emissionen verpflichtet sein, Maßnahmen zur Verhinderung zu ergreifen. Verweigere er dies endgültig, könne bereits vor dem Entstehen tatsächlicher Kosten festgestellt werden, dass er für diese entsprechend seinem Emissionsanteil aufkommen müsse, wie es der Kläger fordere.
Weder die große geographische Entfernung zwischen den Kraftwerken von RWE und dem Wohnort des Klägers in Peru noch das grundsätzlich gesetzeskonforme Verhalten des Unternehmens stehen einer Haftung per se entgegen, so die Ansicht des OLG. Auch dem Einwand von RWE, bei einem Erfolg der Klage drohe eine Klageflut „jeder gegen jeden“, folgte das Gericht nicht. Dass künftig Bürger massenhaft mit Klimaklagen zu rechnen hätten, wenn ein Ersatzanspruch generell bestehe, sei nicht absehbar.
Allerdings scheiterte die Klage an der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts. Nach Einschätzung des Gerichts lag sie sogar noch unterhalb der vom Sachverständigen angegebenen Wahrscheinlichkeit von einem Prozent. Zudem sei selbst im Schadensfall lediglich mit marginalen Beeinträchtigungen zu rechnen.
Klimaklagen nicht von vornherein ausgeschlossen
Bemerkenswert ist, dass das Gericht die Möglichkeit einer zivilrechtlichen Haftung von Unternehmen für klimabedingte Schäden basierend auf § 1004 BGB, einem im Nachbarrecht verankerten Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch, grundsätzlich bejaht. Diese Feststellung könnte für künftige Verfahren von großer Bedeutung sein und NGOs ermutigen, weitere Klimafälle vor Gericht zu bringen. Denn auch wenn dieses Verfahren für die Klimaschützer im Ergebnis erfolglos blieb, hat das OLG Hamm klargestellt, dass es Klimaklagen nicht generell als unbegründet ansieht und eine zivilrechtliche Haftung von Unternehmen für klimabedingte Schäden denkbar ist.
Neben der Entscheidung des OLG Hamm stehen eine Reihe anderer obergerichtlicher Entscheidungen, etwa gegen Mercedes Benz und BMW, die strukturell anders gelagerte Klimaklagen als unbegründet angesehen haben. Sie betonen stärker, dass Maßnahmen zum Klimaschutz Aufgabe des Gesetzgebers seien und CO₂-Emissionen im Rahmen gesetzlicher Vorgaben keine zivilrechtliche Haftung auslösen könnten. Eine höchstrichterliche Leitentscheidung des Bundesgerichtshofs gibt es bislang nicht. Die Rechtslage bleibt somit offen. Doch die Argumentation des OLG Hamm dürfte Umweltorganisationen in ihrem Engagement bestärken. Weitere Musterverfahren erscheinen möglich – vorausgesetzt, ein konkreter und wahrscheinlicher Schaden kann nachgewiesen werden. Der „Climate Case“ dürfte somit nicht die letzte Klimaklage gegen ein Unternehmen vor deutschen Gerichten gewesen sein.